Donnerstag, 30. Oktober 2008

Von Felten Welten-Productions* präsentiert


Über das Abhandenkommen

von schwarzen Schirmen

Heute Morgen habe ich das zwanzigste weiße Haar auf meinem Kopf entdeckt! Das Zwanzigste! Ich habe mich frisiert. Es stand einfach so von meinem Kopf ab, in irgendeine Richtung, weg vom Kopf. Ich brauchte nicht einmal genau hinzusehen, geschweige denn jemanden zur Observierung hinzu zu ziehen, wie bei den zeunzehn vorherigen weißen Kandidaten. Dieses Haar war so eindeutig weiß. Ich habe es sofort ausgerissen, nicht mehr ganz so energisch wie meine ersten beiden weißen Haare, aber immer noch im Glaube, dass auch das zwanzigste weiße Haar nur ausversehen weiß gewachsen ist - eine ausversehene Pigmentverfärbung oder so. Keine Ahnung was es so für Gründe für ausversehen weiß gewachsene Haare gibt... Draußen regnet es. In meinem Schirmständer stehen zwei Schirme, ein roter und ein rosaroter Kinderschirm - aber kein Knirps. Wo ist denn jetzt der schwarze Knirps? Wir hatten so viele schwarze Knirpse. Ich greife nach dem roten Kinderschirm mit dem Hello Kitty. Ich muss auf den Zug, für Suchen bleibt jetzt keine Zeit. Weiße Bluse, Stöckelschuhe, roter Kinderschirm - so bin ich oft ausgegangen, vor acht Jahren. Ich mag Stilbrüche. Heute fühle ich mich aber mehr wie Mary Poppins und nicht wie eine stilbruchsichere Frau. Der Stilbruch ist irgendwie zu markant. Es sind nicht mehr bloß die Bluse und die Stöckelschuhe, die mit dem Kinderschirm konkurrieren, spielen. Da kommen auf einmal einzelne weiße Haare, die mitreden wollen und das freche Zusammenspiel der Kleider und des Schirms in eine andere Richtung drehen. Oder sind es gar nicht die weißen Haare auf meinem Kopf, sondern etwas in meinem Kopf? Der Bruch, der meinen jugendlichen Stil ausgemacht hat, hat auf jeden Fall heute eine Bruchlandung erlitten. Ich glaube, ich bin mir meinen 28 Jahren bewusst geworden. Also eigentlich habe ich schon seit einiger Zeit darüber nachgedacht - etwa beim Ausreißen des sechzehnten weissen Haares -, ob ich mich vielleicht von den Hello Kitty-T-Shirts trennen sollte, und außerdem habe ich schon vor 15 weißen Haaren alle rosaroten Teile aus meinem Schrank verbannt! Aus diesem Anlass habe ich mir dann auch vor wenigen Wochen einen schwarzen Knirps gekauft, einen schwarzer Knirps von S. Oliver für 9.90 CHFr, im LOEB. Der hat auch noch perfekt in meine Handtasche gepasst und ich war eigentlich ganz zufrieden mit dem neuen schlichteren Stil. Aber schon am nächsten Abend war er weg, verschwunden, vergessen, der Schirm. Das war bestimmt der fünfte schwarze Knirps, den ich nicht mehr mit nach Hause gebracht habe, und es waren doch die Schirme meiner Schwester... Verdammt!Meine Kinderschirme vergesse ich nie. Ob es an den Farben liegt? Vielleicht sollte ich mir einen roten Knirps kaufen, der in meine Handtasche passt. Einen roten Knirps ohne Hello Kitty. Seinen Stil dem Alter anzupassen, wenn man denn wert legt auf Stil - worüber sich bekanntlich aber auch streiten lässt - scheint gar nicht so einfach zu sein. Aber ein roter Erwachsenen-Schirm, das könnte die Lösung sein, die Lösung des Problem des Abhandenkommens der schwarzen Schirme - wahrscheinlich, wegen der unspektakulären Farbe - und die Lösung des Stilproblems. Ein roter Knirps, passend zur erdbeerroten Lppenstiftfarbe - ein Erdbeerschirm. Ich werde es ausprobieren, sobald ich einen erdbeerroten Knirps finde. Aber heute scheiße ich noch einmal auf die zwanzig weißen Haare! Die habe ich ja alle ausgerissen. Heute will ich einmal Mary Poppins sein, mit rotem Hello Kitty-Schirm, weißer Bluse und Stöckelschuhen. Noch einmal, als hätte ich das Tape ein bisschen zurück gespult, noch einmal: Film ab und Schnitt!


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten