Freitag, 27. Februar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Zum Glück

Die Gratwanderung ist nicht einfach. Einmal verlierst du das Gleichgewicht, und du torkelst. Zuerst auf diese eine Seite. Dann zieht dich wieder die andere Seite - zum Glück. Du würdest sonst fallen, auf diese eine Seite. Fallend, in die Tiefe stürzend, würdest du noch schreien - ein sinnloser Schrei. Er würde nur verhallen, und das Echo... Am Ende verhallt auch das Echo - irgendwo. Aber die andere Seite des Grates zieht auch an deinem Körper - sie zieht, lässt dich torkeln, lässt dich aber nicht stürzen. Im Gleichgewicht ziehen sie abwechslungsweise an dir, die Kräfte jenseits des Grates - zum Glück. Sonst würdest du fallen, aber du fällst nicht, weder auf die eine Seite, noch auf die andere. Du stehst oben auf dem Grat, und stehst du oben, kannst du dich glücklich schätzen - eigentlich. Du stehst ja oben, oben auf dem Grat - zum Glück.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Dienstag, 24. Februar 2009

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A little smile

Ein Lächeln wäre gut. Ein Lächeln wäre nötig, dachte sie sich. So was denken zu müssen... Eine Schande, eine Schande ist das! Das Wetter immer an allem Schuld zu geben, ist müssig. Die Sonne kann nichts dafür, dass so viele dichte Wolken unter ihr liegen. Solarium? Nein, das macht müde und gibt Falten... Noch mehr Falten, und am Ende muss ich mich noch voll Falten nennen - kein schöner Name, nein! Wie kann ich mir ein Lächeln holen, wenn mir niemand seines schenkt? Kaufen kann man ein Lächeln leider nicht - auch nicht in Form von neuen Stiefeln, wenn man keine Lust hat, unter Menschen zu gehen... Ich könnte aufhören, traurige Gitarrenmusik zu hören und einfach wieder einmal Reggae hören - Sunshine Reggae... Sie hörte sich das Lied an - fünfmal nach einander. Gib mir nur ein kleines Lächeln, das ist alles, was ich von dir will, sang die sehnsüchtige Stimme. Aber es brachte nichts. Die Musik lächelte. Sie lächelte nicht. Fröhliche Musik frustriert noch mehr, als traurige Musik, wenn man traurig ist. Sie hatte keine Lust zu rennen, keine Lust zu essen, keine Lust zu... einfach keine Lust. Sie ging rastlos durch die Zimmer ihrer Wohnung, öffnete Schränke, um sie wieder zu schliessen. Baden mochte sie auch nicht. Das weicht nur die Haut auf... Und lesen, erzeugt Kopfschmerzen. Der Fussballmatch war abgesagt, wegen... eben doch! Das Wetter ist Schuld - zu viel Match auf dem Fussballplatz. Vielleicht ist es ja auch besser so. Die hätten ja sowieso wieder nur verloren, und Verlieren macht keine gute Laune. Das waren noch Zeiten, als ihre Lieblingsmannschaft regelmässig zu siegen vermochte. Ein Sieg muss her! Siegen schenkt mir ein Lächeln! Aber ich habe keinen Sieg zu feiern, die Fussballer spielen nicht und wenn sie spielen, verlieren sie... Es gibt nur eine Lösung und sie machte es sich auf dem Sofa bequem, da sie immer noch keine Lust hatte zu essen, halt ohne Knabberzeug, nur mit einem heissen Tee - Glückstee. Auf dem Bildschirm flimmerten die roten Trikots ihrer Mannschaft - die Zusammenfassung der Champions League aus den Jahren 2005 und 2006, lange her... Aber sie schossen Tore, wundervolle Tore! Das ist Fussball, herrlich, dachte sie und lächelte.


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Sonntag, 22. Februar 2009

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Destination Sterne
- das Bild



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Destination Sterne

Die Wattenwolken bedecken in unregelmässigen Abständen den blauen Himmel. Rötlich schimmernde Kräne, anthrazitfarbene Stromleitungen, Masten und ausgeschaltete Strassenlaternen streifen den Himmel, durchqueren die blendende Sonne. Nackte Bäume ragen über den Horizont, als wollten sie die Wolken vom Himmel holen, um ihre Nacktheit in ihnen verbergen zu können, als wollten sie sich mit fremden Federn schmücken. Ich schaue gebannt dem Wechselspiel von Farben und Formen zu, als sich unser Zug auf einmal vom Boden zu lösen beginnt. Wir liegen gerade in einer Kurve; der Zug verlässt langsam die Erde, wie damals ds Nüünitram in Bern (Mani Matter), nur geschieht dies am helllichten Tag. Nachdem wir einen dichten Rabenschwarm hinter uns gelassen haben, liegt nur noch Weite vor uns. Wir tauchen rasch ein in das milchige Blau des Himmels ein. Wir werden sanft von den weichen Wattenwolken abgefedert, wenn wir die blaue Strasse unabsichtlich verlassen. Unter uns wird die Welt kleiner und kleiner. Wir sehen die Kugel unter uns verschwinden - bedeutungslos auf einmal alles, was da unten, unter den weissen Wolken an Leid, Glück, Schmerz und Freude stattfindet. Was uns trägt, ist das helle Licht der Sonne, das zärtlich warm auf der Haut kitzelt. Weiter und weiter fliegt uns der Inter City, höher und höher. Wahrscheinlich warten die Passagiere auf dem Berner Perron vergebens auf ihren Zug, den fliegenden Zug. Ich bestelle einen Prosecco an der Minibar, eisgekühlt. Der Korkzapfen fliegt bis an die Decke über meinem Abteil und löst sie vom fliegenden Gefährt, was den wenigen Passagieren in meinem Wagen ein beeindrucktes Aaah oder Oooh entlockt. Die frische Luft streift unsere Köpfe. Wenn ich aufstehe und die Arme weit ausbreite, ist es, als würde ich selber fliegen, wie ein Vogel fliegen. Ich tauche die Hände in die weichen Wolken. Ich hätte nicht gedacht, dass sich Wolken wie eine weiche Federbettdecke anfühlen. Glücklich lege ich mich auf den Sitz, der mittlerweile über und über bedeckt ist von kleinen Wolken, von Federwolken und natürlich auch von Wattenwolken und trinke den Sprudel-Prosecco. Dann schliesse ich die Augen, lasse die Sonnenstrahlen auf meinen Lidern tanzen und warte auf Destination Sterne.


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Bragle

Wenn meine Familie von Ferien im Ausland nach Hause kam, fragte meine Grossmutter, was wir uns zu Essen wünschen (siehe auch: Auch eine Reise auf diesem Blog). Ich wollte Rösti - immer. Das wurde zu einer Tradition, und irgendwann wurde die Rösti, ohne zu fragen zubereitet. Am Abend der Rückkehr sassen wir gemeinsam am Esstisch in der geräumigen Küche meiner Grosseltern, mit Blick auf einen aufgehängten, schwarzen Porzellanteller. Der Tellerrand war mit Blumen verziert und in hellgelber Schrift stand in der Mitte geschrieben:

Bärner Röschti
Nimm Späckwürfeli
Säuschmutz
gschwellti gschibleti
Härdöpfel
äs Hämpfeli Salz
alls zämebragle

Meine Grossmutter hatte diesen Teller bei einer Heimberger Töpferei gekauft - zum halben Preis, weil die Punkte über dem zweiten A im Wort zämebragle (zämebrägle) gefehlt haben. Mit Tipex hat sie die Punkte selber gesetzt. Man sah aber den Farbunterschied, und meine Schwester und ich lasen laut im Chor

Bärner Röschti
Nimm Späckwürfeli
Säuschmutz
gschwellti gschibleti
Härdöpfel
äs Hämpfeli Salz
alls zämebragle

mit Gewichtung auf dem letzten Wort. Später konnten wir das Rezept auswendig. Das Zämebrägle blieb aber immer Zämebragle. Wenn ich heute von einer Reise nach Hause komme, mache ich mir immer noch Rösti, auch wenn ich sonst fast nie koche - und Rösti schon gar nicht. Ich spreche das Rezept (immer noch das einzige Menü, das ich, neben Spiegelei und Spaghetti, ohne Kochbuch kochen kann, Anm. d. Red.) halblaut vor mich hin, wenn ich die Zutaten in die Pfanne gebe, und am Ende bragle ich alles zusammen.


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Auch eine Reise

Der Bauch fühlt sich immer noch etwas schwer an. Das muss das Fondue sein, das Fondue von gestern Abend. Ich bereite mir einen leichten Salat zu - einen Rucola-Salat mit Parmesansplitter, viel Balsamico und Salz. Meine Gedanken schweifen während dem Essen nach Italien und weiter noch. Schon wieder denke ich an die weite Welt und wie gerne ich irgendwohin fahren würde, wo es anders ist, einfach anders - kein Fondue. Notizpapier, Kugelschreiber, Handy und die Nikon. Sonst brauche ich nichts mehr. Mit dem Zug fahre ich nach Bern. Die Schneelandschaft zieht vorbei und lässt mich kurz eindösen, Italien vor meinen träumenden Augen. Uttigen. Verena weckt mich.
Ja tschou, i bis, d Verena. i bi grad im Zug. Ha nume schäu wöue frage, wäge...
Ja genau. Gits ke anderi Möglechkeit?
Aha...
Nei, das isch nid so tragisch. Aber wes irgendwie gäng...
Ja. Guet.
Merci afang.
D Esther?
Ja das chönnt si. Frag se doch o mau no.
Wär scho no froh!
Jaja.
Isch guet.
Kes Problem.
Ostermundigen. Verena ist immer noch am telefonieren, und auch wenn ich die Augen wieder schliesse und mir die Ohren zuhalte, die belebten Strassen Italiens wollen nicht mehr auftauchen.
Ja, auso.
Ja, jaja.
Auso.
Los, i bi jtz de grad ds Bern.
Auso, tschüss, tschüss.
Tschou.
Ich steige aus und glaube, mich in einem Ameisenhaufen zu befinden. Es ist aber Bern, erkenne ich an der blauen Tafel mit der weissen Schrift. Ich nehme die Tram Nummer 3 und fahre zur Endstation. Ich drücke die unterste Klingel. Den Namen habe ich mir zum Glück aufgeschrieben, eine zu fremde Anordnung von Buchstaben. Eine Frau in einem bodenlangen, lilafarbenen Rock, einer rot geblumten Bluse und einem dunklen Schleier öffnet mir die Tür. Sie lächelt, streckt mir eine zerbrechliche, weisse Hand entgegen. Ihre Augen sind dunkelbraun, fast schon schwarz. Sie geleitet mich ohne Worte durch eine fremd duftende Wohnung, über einen orientalischen Teppich in das Wohnzimmer. Sie nimmt mir die Jacke ab und verschwindet in die Küche. Auf einem Teller serviert sie mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft und mir unbekanntes Honiggebäck. Den Schleier hat sie ausgezogen. Ihr freundlich interessierter Gesichtsausdruck lässt schnell das Eis brechen und wenn ihre deutschen Worte nicht ausreichen, spricht sie einfach Farsi und lässt mit ihren Händen Bilder vor meinen Augen entstehen. Ich glaube, sie zu verstehen. Wir schauen Fotos an. Ihre Familie. Ihre Augen schauen libevoll und traurig auf die Bilder, als würde sie sie zum ersten Mal betrachten. Ab und zu geht sie auf den Balkon, den sie im Winter als Erweiterung des Kühlschranks benutzt und serviert neue Köstlichkeiten - Süssbrot, nougat-ähnliche Stängel und Tee in kleinen Gläsern. Bevor sie die Balkontüre öffnet, wirft sie sich den Schleier über ihre dunklen Haare, den sie griffbereit auf dem Fensterbrett liegen hat. Sobald der Vorhang wieder zugezogen ist, legt sie das Tuch wieder ab. Dann schauen wir Fern - iranische Nachrichten. Sie übersetzt ein bisschen. Ich höre dem Klang der Sprache zu. Es dämmert schon, als ich nach meiner Iran-Reise Mitten in Bern wieder die Strasse betrete. Zu Hause habe ich Rösti gemacht. Das esse ich immer, wenn ich von einer Reise nach Hause komme.


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Mittwoch, 18. Februar 2009

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Heimweh-Honigschnitten und der Versuch, eine noch neuere Welt zu entdecken

Sie schlief nachts, eingewickelt in die rot-weiss-karierte Decke der Kindheit, den erholsamen Bergluftschlaf - ein wortloser, ein tonloser Schlaf, nur Bilder. Am Morgen schmierte sie sich die Heimweh-Honigschnitten, die früher schon zum Verschlingen auf dem Schneewittchen-Teller bereit lagen, wenn sie sich an den lackierten Holztisch setzte. Es war immer noch derselbe Holztisch, aber gegenüber standen leere Stühle, wo einmal die Grosseltern gesessen hatten. Sie mochte sich keinen einsamen Filterkaffee kochen und schlürfte stattdessen eine kalte Schokolade. Als sie die Langlaufskier aus dem Keller holte, knarrten die alten Holzdielen, als wollten sie ihr versichern, dass nicht ganz alles vergänglich sei. Aber das glaubte sie ihnen schon lange nicht mehr, sagte aber nichts. Die Luft war kalt, der Morgen noch jung. Es fielen vereinzelte Schneeflocken vom Himmel. Sie stapfte durch die Schneedecke Richtung Dorf, die Skier geschultert. Draussen in der Kälte fühlte sie sich frisch und freute sich darauf, die menschenleere Landschaft zu durchqueren. Sie fühlte sich beim Langlaufen, als wäre sie Entdeckerin einer fremden Märchenwelt, Erobererin der Einsamkeit. Sie hörte nur die Skistöcke rhythmisch in den Schnee stechen, dazu das gleichmässige Gleiten der Skier und ihren keuchenden Atem. Sie war nicht so schnell. Deshalb mochte sie lieber in aller Frühe losziehen, wenn die anderen Touristen noch schliefen oder sich gerade aus der wohligen Wärme des Schlafes zu lösen versuchten. Sie wollte nicht von grauhaarigen Männern überholt werden, auch wenn sie trainiert, mit dicken Muskelwaden in violetten Leggins verpackt, waren. Sie wollte das Gefühl haben, schnell zu sein, auch wenn dies eine Illusion zu sein schien, wurde sie doch oft von anderen Laufenden überholt - deshalb mochte sie den Morgen. Sie wollte die Entdeckerin sein, Entdeckerin des Tages, Erobererin der frühen Schneesonne. Sie wollte keinen Verfolger hinter sich spüren, der sie zu schlechter Einteilung ihrer Kräfte trieb - nur sich selber spüren, die eigene Energie, und mit dem eigenen Körper ringen, das Aufgeben bezwingen. Sie überquerte den Dorfplatz und verscheuchte die letzten süss-bitteren Erinnerungsfetzen, die sich heute Morgen wie statisch aufgeladene Ballons an sie geheftet hatten, aus ihren Gedanken. Der Dorfplatz war, wie erwartet, fast menschenleer. Die Bäckerei war geöffnet. Nach der Eroberung der Märchenlandschaft wollte sie sich ein frisches, ofenwarmes Brötchen oder einen Gemüsekuchen gönnen - aber erst nach dem Kampf die Belohnung, dachte sie. Sie klickte die Schuhe in die Bindung ein und glitt den kleinen Hügel herunter, der sie zum nahe gelegenen Seeli bringen würde. Sie fühlte sich mit den Stöcken in den Fäusten tatsächlich wie eine Konquistador aus dem 16. Jahrhundert auf der Suche nach einer noch neueren Welt. Vor dem See überquerte sie die Holzbrücke. Nur noch wenige hundert Meter abwärts, dann würde der anstrengende Anstieg beginnen, der sich schlängelnd zwischen lichten Tannwäldern durch das Tal zog. Sie war heute erstaunlich schnell unterwegs. Sie bog in den ersten Waldteil ein und hörte neben dem schleifenden Geräusch der Skier im gefrorenen Schnee und dem Einstecken der Stöcke schon ihr Herz Richtung Hals schlagen. Sie atmete tief und befreit, im Kampf mit ihrem müde werdenden Körper und arbeitete sich Stück für Stück in die noch neuere Welt vor. Vor ihr lag sie, die noch zu erobernde Schneewelt. Schneeflocken glitzerten in der zaghaften Nebelsonne auf. Gerade wollte sie einen zufriedenen Seufzer ausstossen, da hörte sie näher kommendes Gleiten im Schnee. Sie trieb ihre Arme schneller nach vorne und zog sich immer rascher voran. Das Schleifen kam unweigerlich näher. Sie hörte schon ein immer lauter werdendes Keuchen. Sie kämpfte. Sie wollte sich nicht kampflos geschlagen geben. Sie wollte das Territorium nicht kampflos aufgeben. Ihre Grenzen waren aber erreicht. Das Herz pochte im Hals, ihr Gesicht glühte und ein nasses Rinnsal suchte sich einen Weg über ihren Rücken. Sie gab auf. Sie musste. Als würde sie die Waffen niederlegen, schlug sie ein langsameres Tempo ein und liess sich überholen. Zuerst sah sie einen Windhund, dann einen zweiten... Es waren deren fünf, an der Spitze der Leithund und am Ende ein Schlitten. Der Mann auf dem Gefährt grüsste freundlich. Sie hatte angehalten und schaute nun dem davon eilenden Zug hinterher. Als sie sich wieder in Bewegung setzte, dachte sie, Windhunde. Windhunde, schnell wie der Wind, wahrscheinlich. Und ich wollte gegen diese schnellen Tiere kämpfen...Entdeckerin ist besser als Erobererin. Ich sollte wieder pazifistischer Langlaufen. Gemütlich und ruhig atmend bestieg sie die zweite Hälfte des Anstiegs und glitt zum Restaurant am Talende, wo sie sich, wider ihrer strickten Regel nach dem Kampf die Belohnung, Kaffee und Gemüsekuchen gönnte - um der Friedlichkeit Willen.


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Dienstag, 17. Februar 2009

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Eisblau - oder kein Rätsel

Der Anfangsbuchstabe seines Namens erscheint vor meinem inneren Auge bläulich. Schon fast eisig ist diese Farbe. Eigentlich mag ich diesen Buchstaben. Und obwohl es nicht das A ist, muss ich immer an ihn denken, wenn es regnet. Er begleitet mich ständig durch mein Leben, ob ich will oder nicht. Der Buchstabe kann nicht die Farbe wechseln wie ein Chamäleon. Der Buchstabe bleibt immer eisblau, aber er nimmt verschiedene Gestalten an, wie der Formwandler Odo aus Star Trek-Deep Space Nine, und begleitet mich in überraschenden Gestalten. Ich habe mir diesen Buchstaben nicht ausgesucht - im Gegenteil, K wäre mir irgendwie lieber gewesen. K ist rot und Rot ist ja meine Lieblingsfarbe - Purpurrot. Eisblau ist eine triste Farbe, eine eiskalte Farbe. Rot ist feurig. Rot ist warm. Aber man kann sich nun einmal die Anfangsbuchstaben der Menschen, die man mag nicht aussuchen und deren Farbe schon gar nicht. Die ist. Und ich begegne immer wieder eisblau. Ich sträube mich gegen eisblau, richte meine Wohnung in meiner Lieblingsfarbe ein - die Bettdecke, die Vorhänge, die Kerzen im fünfarmigen Ständer, die Bilder an den Wänden, alles in Rot, alles warm - und dann betreten eisblaue Menschen diese Räume, aber sie schmelzen nicht. Sie wissen selber gar nicht, dass ihr Name mit einem eisblauen Buchstaben anfängt, und dass sie im warmen Rot schmelzen sollten, dahin schmelzen sollten. Sie stehen einfach da, betrachten die Räume und sagen "schön ist es hier" - finde ich selber nicht. Nur das Rot gefällt mir. Ich lächle und antworte "merci". Dann gehen sie wieder, ungeschmolzen. Sie bleiben eisblau und wissen es nicht.

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Freitag, 6. Februar 2009

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Träume in der Warteschlange

Die Nacht war in ein ungutes Gefühl gehüllt. Sie hat den Traum geträumt - den Traum, der sie vergessen lässt, dass sie träumt. Es gibt nur einen Traum, der sie das vergessen lässt. Diesen Traum hat sie geträumt. Der Traum, den alle immer wieder träumen. Die Zähne fallen aus. Sie fallen einzeln aus, restlos alle. Die Wurzeln verlieren den Halt im Zahnfleisch und es bleibt ein zahnloses, zahnfleischrotes Grinsen. Zwischendurch ist sie aufgewacht, hat beunruhigt und mit klopfendem Herzen mit der Zunge nach den Zähnen gefühlt. Sie waren noch da, alle - alle an ihrem gewohnten Platz, wie immer. Doch das ungute Gefühl blieb. Zuerst hörte sie Geräusche aus der Küche. Sie schlich sich auf den Zehenspitzen in den Korridor, in der Hand einen Kleiderbügel, bereit zum Schlag, egal ob es ein Einbrecher sein sollte oder ein Geist. Es war die Kaffeemaschine, die dampfend das Wasser erhitzte. Zurück unter der beschützenden, satinbezogenen Federdecke verwandelte sich das ungute Gefühl in ein Jucken, und sie war sich plötzlich ganz sicher, dass sie das weiche Federkissen mit beissenden Viechern teilte. Sie hat eines gesehen. Sie war sich ganz sicher. Es war schwarz und klein. Ein Floh? Es juckte überall. Sie sprühte sich mit Kik ein. Sie sprühte das Bett mit Kik ein, das Federkissen, das ganze Zimmer. Es hörte nicht auf zu Jucken, weil da wahrscheinlich keine beissenden Viecher waren, aber irgendwann wurde sie von der Müdigkeit übermannt und wurde wieder eingeholt vom zahnlosen Traum. Dann fielen ihr auch noch alle Zehennägel aus. Sie konnte an den Nägeln ziehen und zurück blieben nagellose Zehen. Nagellos, Zahnlos, mit juckender Haut und schweissgebadet wachte sie am Morgen auf. Die Welt vor ihrem Fenster war wieder mit einem weissen Zuckerguss übergossen worden, wie eine Geburtstagstorte. Sie mochte aber keinen weissen Zuckerguss - zu süss, zu langweilig süss - und sie hatte nicht Geburtstag. Zerstört waren ihre zaghaften Frühlingssonnenträume, zerstört von einer Zuckergussnacht voller unguter Gefühle. Zerstört waren auch die Träume von einer italienischen Steinterrasse, übersät von starken Kaffeedüften aus der Küche. Die Wohnung mit der italienischen Kaffee-Steinterrasse wurde anderweitig vergeben. Die Frühlingssonnenträume wurden in weisse Watte verpackt und zurück in Traumwarteschlange gestellt. In der Traumwarteschlange ging es zu, wie bei Cablecom. Die Auf-und-davon-ab-Belpmoos-bis-ans-Kap-der-Guten-Hoffnung-Träume, die Kreta-tönt-doch-besser-als-Heimberg-Träume (siehe auch: Somethings never change auf diesem Blog), die Irgendwann-tanze-ich-durch-einen-Korridor-Träume (siehe auch: Irgendwann auf diesem Blog), die Tamanrasset-Träume (siehe auch: Tamanrasset auf diesem Blog) hingen in der Warteschlange - genervt von der künstlichen Stimme bitte haben Sie noch etwas Geduld... - auf unbestimmte Zeit vertröstet. Und jetzt gesellten sich auch wieder die Frühlingssonnenträume und die Italien-Kaffee-Steinterrassen-Träume dazu, entmutigt, weil sie beide schon geglaubt hatten, bald erlöst zu werden von dieser ewigen Warterei. Kaffee hat sie sich dann auch ohne Steinterrasse gekocht, stark und süss, wie der weisse Tortenzuckergussschnee. Die orange Holland-Tasse nahm sie mit an den Arbeitsplatz im Wohnzimmer und vergass zu trinken, bis der Kaffee kalt war. Sie surfte im Internet nach einer Italien-Kaffee-Steinterrassen-Wohnung und hörte dazu Maná, in der Hoffnung, wenigstens die Seele täuschen zu können, dass die cablecomartige Traumwarteschlange für die Frühlingssonnenträume bald ein Ende haben würde. Sie fand keine Italien-Kaffee-Steinterrassen-Wohnung in ihrer Preislage und trank den kalten Kaffee in einem Schluck leer. Draussen hörte sie die pflichtbewusste Hauswartin den weissen Zuckergussschnee in regelmässigen Kratzbewegungen von der Treppe schaufeln. Sie entschied sich für eine weitere Tasse Kaffee und dachte dabei an die ungeduldigen Träume, die heute besonders unnachgiebig auf sich aufmerksam zu machen versuchten. Sie versuchte jedem Träumchen zuzuhören, war es auch noch so klein. Sie hörte zu, gab jedem einige Minuten, sich zu erklären. Sie erzählten ihr teilweise die absurdesten Geschichten, dass sie über ihre eigenen unerfüllten Wünsche schmunzeln musste, die in der Warteschlange auf ihre Erfüllung warteten. Da war einer - das musste der kleine Bruder vom Irgendwann-tanze-ich-durch-einen-Korridor-Traum sein - der erzählte ihr, sie wolle sich auf einen Felsen stellen, auf einen hohen Felsen, unter sich das endlose Meer, die Arme ausbreiten und schreien. Ein anderer sagte, sie wolle den Kopf mit langen Haaren aus dem fahrenden Zugfenster im Wind wehen lassen. Sie hatte ja nicht einmal lange Haare... Sie hörte zu. Sie hörte dem Einen-Berg-Marzipanschweine-essen-Traum zu, dem Ich-steige-in-Olten-einfach-nicht-aus-dem-Zug-Traum (dem grossen Bruder vom Ich-steige-in-Bern-einfach-nicht-aus-dem-Zug-Traum, den sie während der Schulzeit in Ittigen und Köniz geträumt hatte und nie hat Wirklichkeit werden lassen - hätte sie wahrscheinlich tun sollen, denn für den Ich-steige-in-Olten-einfach-nicht-aus-dem-Zug-Traum hatte sie heute zu viel Verantwortungs-bewusstsein) und sie hörte auch dem Ich-will-eine-rote-Amici-X1-Trio-Kaffeemaschine-Traum zu und dem Ein-Tischchen-aus-einem-Leuchtschriftreklamenbuchstaben-bauen-Traum. Ihr wurde bewusst, dass die vielen kleinen Träume, die unerfüllt in der Traumwarteschlange warteten, die anderen, die grossen Träume blockierten - oder so interpretierte sie zu mindest ihre Lage und entschied sich heute damit anzufangen, sich jeden Tag einen kleinen Traum zu erfüllen, jeden Tag einen kleinen, bis sie bei den grossen angelangt sein würde. Sie lies sich ein Bad ein, ein Bad mit drei rosaroten Ölkugeln, holte ein neues Kurzge-schichtenbuch (Das Ende eines ganz normalen Tages von Franz Hohler) aus dem Bücherregal, öffnete eine Flasche Prosecco (eine kleine!), zündete eine Kerze an und blieb im Wasser, bis das Buch fertig gelesen, die Flasche leer getrunken und die Haut aufgeweicht und verschrumpelt war - den ganzen schneeweissen Wattenvormittag lang. Der Anfang eines anormalen Tages.


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Dienstag, 3. Februar 2009

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She had a dream



(Es war der Schuh im obersten Regal, den sie zu diesem besonderen Anlass anziehen wollte...)

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Tamanrasset

Noch bevor die Sonne aufgegangen war, stand sie mit einem Rucksack am Bahnhof. In der einen Hand hielt sie einen Pappbecher mit einer lauen Kaffeebrühe - gut gezuckert - und in der anderen Hand die Zeitung. Sie wusste nicht, wo sie hinreisen wollte. Sie stand am Bahnhof und überlegte noch als ein Zug einfuhr, ob sie an den Flughafen fahren, den nächst besten Flug besteigen - das heisst das billigste Angebot annehmen -, oder ob sie einfach in einen Zug steigen und bis an irgendein Meer fahren sollte. Der Zug fuhr ein. Er fuhr Richtung Brig. In Brig gibt es keinen Flughafen, aber nach Brig kommt Italien. In Italien gibt es ein Meer und es gibt besseren Kaffee, dachte sie, schütte den übersüssten Kaffee unter den Zug und stieg ein. Italien! Ich könnte nach Florenz fahren. Ich war noch nie in Florenz. Ich fahre nach Florenz, dann nach Rom. Entweder nehme ich dann eine Fähre ab Bari nach Griechenland. In Griechenland gibt es wunderschöne weisse Häuser und Oliven, aber der Kaffee schmeckt mir nicht... Dann fahre ich halt weiter durch Italien, dem Kaffee zu liebe. Ich fahre bis nach Kalabrien. Dort haben sie bestimmt auch irgendwo einen Hafen, und von dort schiffe ich nach Afrika, nach Tunesien. Ich durchquere Tunesien und fahre bis nach Algerien, nach Tamanrasset. Da wollte ich schon immer hin. Als ich klein war, habe ich davon geträumt, von der Wüste, von Tamanrasset. Dort will ich hin. Sie sass im Zug. Sie blickte aus dem Fenster, sah zu, wie sich der Thunersee durch die einigermassen schnelle Fahrt in ein impressionistisches Gemälde verwandelte. Sie dachte an die ältere Dame, die ihr von der Wüste erzählt hatte. Die Frau hatte silbernes Haar, wie ein Engel, zwar ein alter Engel, aber ein Engel. Sie hat die Wüste gemalt, gezeichnet - immer wieder. Sie wollte immer in die Wüste gehen, als sie jung war, als sie noch goldene Locken hatte. Sie ging aber nicht, und als sie silbernes Haar hatte, wollte sie nicht mehr gehen. Sie sagte, sie wolle ihren Wüstentraum nicht zerstören. Sie wolle nur träumen, von der Sahara träumen. Irgendwann ist sie gestorben. In der Wüste war sie nie. Vielleicht wird mein Traum zerstört sein, wenn ich in Tamanrasset bin. Ich rieche die Düfte und die sind anders, als ich sie mir mit 13 vorgestellt habe. Ich sehe die Wüstensöhne und sie sind... sie sind doch auch nur Männer. Ich sehe den Sand und vermisse doch wieder nur die Schneeberge. Vielleicht... Als ich 13 war habe ich mir aber versprochen, dass ich nach Tamanrasset reisen würde, irgendwann. Dieses Irgendwann muss irgendwann stattfinden, bevor ich weiss werde und meine Träume nur noch träumen will. Ich mache dieses Irgendwann zum Heute - oder Heute zu Irgendwann.
Sie hätte sich jetzt gerne eine Zigarette angezündet und den blauen Rauch zufrieden durch die Nase ausgeblasen, aber die Züge waren rauchfrei - und war sie nicht eigentlich Nichtraucherin...? Aber eine Zigarette hat etwas siegesicheres, etwas "ich-bin-mir-selbst-genug". Man raucht. Man ist zufrieden, zufrieden mit sich und vor allem zufrieden mit dem Moment. Man macht nichts anderes als rauchen, den Rauch einziehen und wieder ausatmen. Sie zog die abgestandene Luft des Waggons in ihre Lunge, stiess sie gemächlich durch die Nase, als würde sie tatsächlich rauchen, dachte dabei aber an das Gemisch aus hundert verschiedenen Parfümdüften und Schweissgerüchen, an fünfzig nasse Hunde und achzig Schuhe, die in Hundescheisse getreten waren. 2'000 Schweizerfranken hatte sie auf dem Ferienkonto. Mit 2'000 Franken könnte sie sich eine neue Kamera kaufen, einen einigermassen guten Scanner, eine schlechte Blitzanlage, 25 billige Schuhe, fast 4 Monate die Miete bezahlen, oder sie kann sich einen Traum erfüllen. Der Zug fuhr in Milano ein. Sie stand auf, ging zum Ausgang und atmete die Bahnhofluft ein, der Duft der Freiheit. Sie hätte gerne die Arme ausgebreitet und geschrien. Stattdessen lächelte sie einfach. Sie lächelte und stieg aus.
Tamanrasset. Ein Tuch bedeckte ihre Haare. Es war heiss, und es duftete... Es duftete, wie in ihren Träumen. Und da begann die Freiheit, unendliche Wüste, unendlich viel Sand. Das Licht. Es war grell, rötlich grell. Es waren Tränen der Freude, die die Farben vermischen liessen, die blauen Schleier mit dem gelben Sand und dem beige-weissen Sandstein der Häuser, wie auf den Wüstenbildern von Paul Klee. Dann wachte sie auf. Sie öffnete die Augen nur zögerlich und schloss sie gleich wieder, weil das Licht in ihren Augen brannte. Sie wusste nicht, wo sie war. Sie blickte an eine vergilbte Decke, sah die rosarote Stofflampe, ihre Lampe. Zu Hause, sie war zu Hause. Sie kniff ungläubig die Augen zusammen. 2'000 Franken, dachte sie. 2'000 Franken muss ich auf mein Ferienkonto einzahlen. Der Scanner kann warten. Ich muss einen Traum erfüllen, meinen Traum, beschloss sie, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Sie versuchte die Farben wieder zu finden, die Farben ihres Traums.


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She had a dream



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