Montag, 26. Januar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Immerhin ein Bild

Sie wird golden geglänzt haben, die Wolke - rotgolden und dreidimensional. Der Horizont wird geflimmert haben, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er zum Himmel oder zur Erde gehören wolle - etwas kitschig, aber mit einem hässlich schwarzen Strommasten quer durch die Wolke irgendwie... schön, denkt sie. Aber M. hat sie platt geklatscht, die rotgoldene Wolke, samt dem Horizont. Er stampft durch die Welt, als wäre sie schon tot, als wäre sie ohnehin nur mehr ein Bild, das es abzuklatschen gilt. In diesem Glauben stampft er ganze Häuser platt, ganze Häuserblocks, samt Horizont. Sie werden zweidimensional. Sie werden zweidimensionale Abklatsche der Welt, und er glaubt, es seien Fotografien. Dann knallt er die vermeintlichen Fotografien auf den Tisch, zerknitterte Häuserblocks und Wolken, samt Horizont - zerknittert. Er fuchtelt mit seinen fettigen Fingern darauf herum. Er redet. Sie sieht nur seine Hände, wie sie durch die Gegend fliegen, wie hundert kleine Helikopter, findet sie, hundert Helikopter im Krieg. Seine Stimme rattert, wenn er redet, als würde er damit den Helikoptermotor imitieren. Dann brausen die Helikopter in die Tiefe und prallen auf den zerknitterten Horizont. Als sie sich erheben, sind es wieder bloss fettige Finger, und zurück bleibt ein dicker Fleck auf dem Wolkenbild. Er sitzt da und lacht, der Fettfleck. Wahrscheinlich lacht er über ihr entsetztes Gesicht. Der Motor ist verstummt. Sie starrt auf die vermeintliche Fotografie. Sie starrt auf den Fettfleck, und schon fängt der Motor wieder an zu knarren. Er knarrt Photoshop, Farben intensivieren - und dann nur noch brrrratter. Die Fingerhelikopter fliegen wieder durch die Lüfte, entfernen das Wolkenbild und brausen um ein nächstes Plattgedrücktes. Platt gedrückte Treppen, platt gedrückte Menschen, platt gedrückte Tauben. Er starrt auf das Plattgedrückte, dann starrt er sie an. Er starrt sie an, als wolle er auch sie gleich zu einem Bild plätten, in der Überzeugung, er mache ein Foto, und der Motor rattert lauter. "Stopp!" Schreit sie. "Stopp! Du kannst doch nicht die ganze Welt platt walzen und sagen, das seien Fotografien!" Der Motor schweigt. Die Helikopter werden wieder Fettfinger (zum Glück, sonst wären sie abgestürzt) und gleiten zurück auf die gewalzte Taube. Er schaut sie an. Er denkt wahrscheinlich, sie spinne. Er packt die ohnehin schon zerknitterten Blätter, falzt sie in der Mitte, zerreisst sie in kleine Stückchen, wirft sie in den Papierkorb und stürmt aus dem Zimmer. Er schreit wutentbrannt, was sie eigentlich wolle. Das seien doch Fotografien von Wolken, sie sei eine realitätsfremde Träumerin, und dann hört sie nur noch das Getöse eines einzelnen Riesenhelikopters. Sie steht noch immer am selben Ort. Sie steht da. Sie wartet. Sie wartet, bis der Helikopter in der Ferne verstummt ist. Sie geht zum Papierkorb, holt die Schnipsel heraus - die, die sie findet - und setzt sie zusammen. Auch den Fettfleck klebt sie wieder an. Dann fotokopiert sie das Entstandene. Sie fotokopiert es schwarz-weiss, dann hängt sie es an die Wand. Sie steht davor, betrachtet es. Jetzt ist es ein Bild, denkt sie, immerhin ein Bild.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten