Sonntag, 22. Februar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Destination Sterne
- das Bild



* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Destination Sterne

Die Wattenwolken bedecken in unregelmässigen Abständen den blauen Himmel. Rötlich schimmernde Kräne, anthrazitfarbene Stromleitungen, Masten und ausgeschaltete Strassenlaternen streifen den Himmel, durchqueren die blendende Sonne. Nackte Bäume ragen über den Horizont, als wollten sie die Wolken vom Himmel holen, um ihre Nacktheit in ihnen verbergen zu können, als wollten sie sich mit fremden Federn schmücken. Ich schaue gebannt dem Wechselspiel von Farben und Formen zu, als sich unser Zug auf einmal vom Boden zu lösen beginnt. Wir liegen gerade in einer Kurve; der Zug verlässt langsam die Erde, wie damals ds Nüünitram in Bern (Mani Matter), nur geschieht dies am helllichten Tag. Nachdem wir einen dichten Rabenschwarm hinter uns gelassen haben, liegt nur noch Weite vor uns. Wir tauchen rasch ein in das milchige Blau des Himmels ein. Wir werden sanft von den weichen Wattenwolken abgefedert, wenn wir die blaue Strasse unabsichtlich verlassen. Unter uns wird die Welt kleiner und kleiner. Wir sehen die Kugel unter uns verschwinden - bedeutungslos auf einmal alles, was da unten, unter den weissen Wolken an Leid, Glück, Schmerz und Freude stattfindet. Was uns trägt, ist das helle Licht der Sonne, das zärtlich warm auf der Haut kitzelt. Weiter und weiter fliegt uns der Inter City, höher und höher. Wahrscheinlich warten die Passagiere auf dem Berner Perron vergebens auf ihren Zug, den fliegenden Zug. Ich bestelle einen Prosecco an der Minibar, eisgekühlt. Der Korkzapfen fliegt bis an die Decke über meinem Abteil und löst sie vom fliegenden Gefährt, was den wenigen Passagieren in meinem Wagen ein beeindrucktes Aaah oder Oooh entlockt. Die frische Luft streift unsere Köpfe. Wenn ich aufstehe und die Arme weit ausbreite, ist es, als würde ich selber fliegen, wie ein Vogel fliegen. Ich tauche die Hände in die weichen Wolken. Ich hätte nicht gedacht, dass sich Wolken wie eine weiche Federbettdecke anfühlen. Glücklich lege ich mich auf den Sitz, der mittlerweile über und über bedeckt ist von kleinen Wolken, von Federwolken und natürlich auch von Wattenwolken und trinke den Sprudel-Prosecco. Dann schliesse ich die Augen, lasse die Sonnenstrahlen auf meinen Lidern tanzen und warte auf Destination Sterne.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

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Bragle

Wenn meine Familie von Ferien im Ausland nach Hause kam, fragte meine Grossmutter, was wir uns zu Essen wünschen (siehe auch: Auch eine Reise auf diesem Blog). Ich wollte Rösti - immer. Das wurde zu einer Tradition, und irgendwann wurde die Rösti, ohne zu fragen zubereitet. Am Abend der Rückkehr sassen wir gemeinsam am Esstisch in der geräumigen Küche meiner Grosseltern, mit Blick auf einen aufgehängten, schwarzen Porzellanteller. Der Tellerrand war mit Blumen verziert und in hellgelber Schrift stand in der Mitte geschrieben:

Bärner Röschti
Nimm Späckwürfeli
Säuschmutz
gschwellti gschibleti
Härdöpfel
äs Hämpfeli Salz
alls zämebragle

Meine Grossmutter hatte diesen Teller bei einer Heimberger Töpferei gekauft - zum halben Preis, weil die Punkte über dem zweiten A im Wort zämebragle (zämebrägle) gefehlt haben. Mit Tipex hat sie die Punkte selber gesetzt. Man sah aber den Farbunterschied, und meine Schwester und ich lasen laut im Chor

Bärner Röschti
Nimm Späckwürfeli
Säuschmutz
gschwellti gschibleti
Härdöpfel
äs Hämpfeli Salz
alls zämebragle

mit Gewichtung auf dem letzten Wort. Später konnten wir das Rezept auswendig. Das Zämebrägle blieb aber immer Zämebragle. Wenn ich heute von einer Reise nach Hause komme, mache ich mir immer noch Rösti, auch wenn ich sonst fast nie koche - und Rösti schon gar nicht. Ich spreche das Rezept (immer noch das einzige Menü, das ich, neben Spiegelei und Spaghetti, ohne Kochbuch kochen kann, Anm. d. Red.) halblaut vor mich hin, wenn ich die Zutaten in die Pfanne gebe, und am Ende bragle ich alles zusammen.


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Auch eine Reise

Der Bauch fühlt sich immer noch etwas schwer an. Das muss das Fondue sein, das Fondue von gestern Abend. Ich bereite mir einen leichten Salat zu - einen Rucola-Salat mit Parmesansplitter, viel Balsamico und Salz. Meine Gedanken schweifen während dem Essen nach Italien und weiter noch. Schon wieder denke ich an die weite Welt und wie gerne ich irgendwohin fahren würde, wo es anders ist, einfach anders - kein Fondue. Notizpapier, Kugelschreiber, Handy und die Nikon. Sonst brauche ich nichts mehr. Mit dem Zug fahre ich nach Bern. Die Schneelandschaft zieht vorbei und lässt mich kurz eindösen, Italien vor meinen träumenden Augen. Uttigen. Verena weckt mich.
Ja tschou, i bis, d Verena. i bi grad im Zug. Ha nume schäu wöue frage, wäge...
Ja genau. Gits ke anderi Möglechkeit?
Aha...
Nei, das isch nid so tragisch. Aber wes irgendwie gäng...
Ja. Guet.
Merci afang.
D Esther?
Ja das chönnt si. Frag se doch o mau no.
Wär scho no froh!
Jaja.
Isch guet.
Kes Problem.
Ostermundigen. Verena ist immer noch am telefonieren, und auch wenn ich die Augen wieder schliesse und mir die Ohren zuhalte, die belebten Strassen Italiens wollen nicht mehr auftauchen.
Ja, auso.
Ja, jaja.
Auso.
Los, i bi jtz de grad ds Bern.
Auso, tschüss, tschüss.
Tschou.
Ich steige aus und glaube, mich in einem Ameisenhaufen zu befinden. Es ist aber Bern, erkenne ich an der blauen Tafel mit der weissen Schrift. Ich nehme die Tram Nummer 3 und fahre zur Endstation. Ich drücke die unterste Klingel. Den Namen habe ich mir zum Glück aufgeschrieben, eine zu fremde Anordnung von Buchstaben. Eine Frau in einem bodenlangen, lilafarbenen Rock, einer rot geblumten Bluse und einem dunklen Schleier öffnet mir die Tür. Sie lächelt, streckt mir eine zerbrechliche, weisse Hand entgegen. Ihre Augen sind dunkelbraun, fast schon schwarz. Sie geleitet mich ohne Worte durch eine fremd duftende Wohnung, über einen orientalischen Teppich in das Wohnzimmer. Sie nimmt mir die Jacke ab und verschwindet in die Küche. Auf einem Teller serviert sie mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft und mir unbekanntes Honiggebäck. Den Schleier hat sie ausgezogen. Ihr freundlich interessierter Gesichtsausdruck lässt schnell das Eis brechen und wenn ihre deutschen Worte nicht ausreichen, spricht sie einfach Farsi und lässt mit ihren Händen Bilder vor meinen Augen entstehen. Ich glaube, sie zu verstehen. Wir schauen Fotos an. Ihre Familie. Ihre Augen schauen libevoll und traurig auf die Bilder, als würde sie sie zum ersten Mal betrachten. Ab und zu geht sie auf den Balkon, den sie im Winter als Erweiterung des Kühlschranks benutzt und serviert neue Köstlichkeiten - Süssbrot, nougat-ähnliche Stängel und Tee in kleinen Gläsern. Bevor sie die Balkontüre öffnet, wirft sie sich den Schleier über ihre dunklen Haare, den sie griffbereit auf dem Fensterbrett liegen hat. Sobald der Vorhang wieder zugezogen ist, legt sie das Tuch wieder ab. Dann schauen wir Fern - iranische Nachrichten. Sie übersetzt ein bisschen. Ich höre dem Klang der Sprache zu. Es dämmert schon, als ich nach meiner Iran-Reise Mitten in Bern wieder die Strasse betrete. Zu Hause habe ich Rösti gemacht. Das esse ich immer, wenn ich von einer Reise nach Hause komme.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten