Sonntag, 22. Februar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Auch eine Reise

Der Bauch fühlt sich immer noch etwas schwer an. Das muss das Fondue sein, das Fondue von gestern Abend. Ich bereite mir einen leichten Salat zu - einen Rucola-Salat mit Parmesansplitter, viel Balsamico und Salz. Meine Gedanken schweifen während dem Essen nach Italien und weiter noch. Schon wieder denke ich an die weite Welt und wie gerne ich irgendwohin fahren würde, wo es anders ist, einfach anders - kein Fondue. Notizpapier, Kugelschreiber, Handy und die Nikon. Sonst brauche ich nichts mehr. Mit dem Zug fahre ich nach Bern. Die Schneelandschaft zieht vorbei und lässt mich kurz eindösen, Italien vor meinen träumenden Augen. Uttigen. Verena weckt mich.
Ja tschou, i bis, d Verena. i bi grad im Zug. Ha nume schäu wöue frage, wäge...
Ja genau. Gits ke anderi Möglechkeit?
Aha...
Nei, das isch nid so tragisch. Aber wes irgendwie gäng...
Ja. Guet.
Merci afang.
D Esther?
Ja das chönnt si. Frag se doch o mau no.
Wär scho no froh!
Jaja.
Isch guet.
Kes Problem.
Ostermundigen. Verena ist immer noch am telefonieren, und auch wenn ich die Augen wieder schliesse und mir die Ohren zuhalte, die belebten Strassen Italiens wollen nicht mehr auftauchen.
Ja, auso.
Ja, jaja.
Auso.
Los, i bi jtz de grad ds Bern.
Auso, tschüss, tschüss.
Tschou.
Ich steige aus und glaube, mich in einem Ameisenhaufen zu befinden. Es ist aber Bern, erkenne ich an der blauen Tafel mit der weissen Schrift. Ich nehme die Tram Nummer 3 und fahre zur Endstation. Ich drücke die unterste Klingel. Den Namen habe ich mir zum Glück aufgeschrieben, eine zu fremde Anordnung von Buchstaben. Eine Frau in einem bodenlangen, lilafarbenen Rock, einer rot geblumten Bluse und einem dunklen Schleier öffnet mir die Tür. Sie lächelt, streckt mir eine zerbrechliche, weisse Hand entgegen. Ihre Augen sind dunkelbraun, fast schon schwarz. Sie geleitet mich ohne Worte durch eine fremd duftende Wohnung, über einen orientalischen Teppich in das Wohnzimmer. Sie nimmt mir die Jacke ab und verschwindet in die Küche. Auf einem Teller serviert sie mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft und mir unbekanntes Honiggebäck. Den Schleier hat sie ausgezogen. Ihr freundlich interessierter Gesichtsausdruck lässt schnell das Eis brechen und wenn ihre deutschen Worte nicht ausreichen, spricht sie einfach Farsi und lässt mit ihren Händen Bilder vor meinen Augen entstehen. Ich glaube, sie zu verstehen. Wir schauen Fotos an. Ihre Familie. Ihre Augen schauen libevoll und traurig auf die Bilder, als würde sie sie zum ersten Mal betrachten. Ab und zu geht sie auf den Balkon, den sie im Winter als Erweiterung des Kühlschranks benutzt und serviert neue Köstlichkeiten - Süssbrot, nougat-ähnliche Stängel und Tee in kleinen Gläsern. Bevor sie die Balkontüre öffnet, wirft sie sich den Schleier über ihre dunklen Haare, den sie griffbereit auf dem Fensterbrett liegen hat. Sobald der Vorhang wieder zugezogen ist, legt sie das Tuch wieder ab. Dann schauen wir Fern - iranische Nachrichten. Sie übersetzt ein bisschen. Ich höre dem Klang der Sprache zu. Es dämmert schon, als ich nach meiner Iran-Reise Mitten in Bern wieder die Strasse betrete. Zu Hause habe ich Rösti gemacht. Das esse ich immer, wenn ich von einer Reise nach Hause komme.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

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