Freitag, 30. Januar 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Irgendwann

Ein langer, schmaler Korridor in einem Bürokomplex. Ich stehe auf einer weiss-grauen Steintreppe am einen Ende dieses Gangs. Entlang der beiden Seiten hat es rötliche, verschlossene Türen. Irgendwo steht ein blinkender Kopierer, ein Papierkorb. Sonst ist alles leer, menschenleer und von künstlich grünlichem Licht durchflutet. Nur an den beiden Enden des Korridors hat es Fenster, grosse Fenster, durch die man über eine nächtlich beleuchtete Grossstadt blicken kann - oder wahrscheinlich eher die Stadt erahnen kann, weil die Spiegelung der Leuchtstoffröhren irritiert. Ich stehe auf der Treppe, blicke in den langen Gang, sehe meine Spiegelung in der Ferne. Dann erklingt das Lied. Ich weiss nicht woher die Musik kommt. Vielleicht hat es irgendwo Lautsprecher an der Decke, oder eine Band spielt hinter einer der verschlossenen Türen. Vielleicht höre ich die Musik auch über meine Kopfhörer. Ich spüre pure Lebensfreude, pures Glück. Ich tanze. Ich tanze den ganzen langen Korridor herunter, mit ausladenden, lustvollen Schritten.
It's raining men...
Irgendwann... Irgendwannn werde ich diesen Gang finden, und ich werde tanzen.

* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Sie rennt

Heute hat sie zu mir gesagt, sie werde rennen. Sie werde rennen, bis sie nicht mehr rennen könne. Sie werde einfach rennen. Ich habe nichts dazu gesagt. Ich habe nur gedacht, dann solle sie doch rennen, bis sie nicht mehr rennen könne, aber gesagt habe ich nichts. Ich renne manchmal auch. Ich war aber noch nie mit ihr rennen. Wahrscheinlich würde sie viel länger rennen wollen als ich - und vor allem schneller. Deshalb will ich gar nicht mit ihr rennen gehen, wahrscheinlich deshalb. Ich renne auch, bis ich nicht mehr rennen kann. Nach einer halben Stunde kann ich nicht mehr. Sie rennt. Sie rennt. Ich glaube, sie rennt schon ihr ganzes Leben. Sie rennt um ihr Leben. Rennen ist ihr Leben. Ich will nicht mit ihr um ihr Leben rennen. Ich renne lieber um mein Leben. Rennen ist aber nicht mein Leben, und ich renne nicht mein ganzes Leben. Ich renne nur, wenn es mir nicht gut geht, und manchmal renne ich, wenn es mir gut geht. Sie rennt immer, glaube ich. Ich habe sie aber noch nie rennen sehen. Sie spricht nur immer vom Rennen. Aber wenn sie rennt, sagt sie, spricht sie nicht. Ich spreche auch nicht, wenn ich renne. Dann renne ich. Ich renne und singe. Aber ich singe nur in meinem Kopf. Ich kann nicht rennen und singen - nur in meinem Kopf - sonst hätte ich keinen Atem mehr um zu rennen. Ich renne, aber nicht so lange, bis ich nicht mehr rennen kann. Ich renne, bis ich keine Lust mehr habe zu rennen. Ich renne lieber allein. Ich renne alleine um mein Leben, aber Rennen ist nicht mein Leben, glaube ich.


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Mittwoch, 28. Januar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Siehst du mich?





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Montag, 26. Januar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Immerhin ein Bild

Sie wird golden geglänzt haben, die Wolke - rotgolden und dreidimensional. Der Horizont wird geflimmert haben, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er zum Himmel oder zur Erde gehören wolle - etwas kitschig, aber mit einem hässlich schwarzen Strommasten quer durch die Wolke irgendwie... schön, denkt sie. Aber M. hat sie platt geklatscht, die rotgoldene Wolke, samt dem Horizont. Er stampft durch die Welt, als wäre sie schon tot, als wäre sie ohnehin nur mehr ein Bild, das es abzuklatschen gilt. In diesem Glauben stampft er ganze Häuser platt, ganze Häuserblocks, samt Horizont. Sie werden zweidimensional. Sie werden zweidimensionale Abklatsche der Welt, und er glaubt, es seien Fotografien. Dann knallt er die vermeintlichen Fotografien auf den Tisch, zerknitterte Häuserblocks und Wolken, samt Horizont - zerknittert. Er fuchtelt mit seinen fettigen Fingern darauf herum. Er redet. Sie sieht nur seine Hände, wie sie durch die Gegend fliegen, wie hundert kleine Helikopter, findet sie, hundert Helikopter im Krieg. Seine Stimme rattert, wenn er redet, als würde er damit den Helikoptermotor imitieren. Dann brausen die Helikopter in die Tiefe und prallen auf den zerknitterten Horizont. Als sie sich erheben, sind es wieder bloss fettige Finger, und zurück bleibt ein dicker Fleck auf dem Wolkenbild. Er sitzt da und lacht, der Fettfleck. Wahrscheinlich lacht er über ihr entsetztes Gesicht. Der Motor ist verstummt. Sie starrt auf die vermeintliche Fotografie. Sie starrt auf den Fettfleck, und schon fängt der Motor wieder an zu knarren. Er knarrt Photoshop, Farben intensivieren - und dann nur noch brrrratter. Die Fingerhelikopter fliegen wieder durch die Lüfte, entfernen das Wolkenbild und brausen um ein nächstes Plattgedrücktes. Platt gedrückte Treppen, platt gedrückte Menschen, platt gedrückte Tauben. Er starrt auf das Plattgedrückte, dann starrt er sie an. Er starrt sie an, als wolle er auch sie gleich zu einem Bild plätten, in der Überzeugung, er mache ein Foto, und der Motor rattert lauter. "Stopp!" Schreit sie. "Stopp! Du kannst doch nicht die ganze Welt platt walzen und sagen, das seien Fotografien!" Der Motor schweigt. Die Helikopter werden wieder Fettfinger (zum Glück, sonst wären sie abgestürzt) und gleiten zurück auf die gewalzte Taube. Er schaut sie an. Er denkt wahrscheinlich, sie spinne. Er packt die ohnehin schon zerknitterten Blätter, falzt sie in der Mitte, zerreisst sie in kleine Stückchen, wirft sie in den Papierkorb und stürmt aus dem Zimmer. Er schreit wutentbrannt, was sie eigentlich wolle. Das seien doch Fotografien von Wolken, sie sei eine realitätsfremde Träumerin, und dann hört sie nur noch das Getöse eines einzelnen Riesenhelikopters. Sie steht noch immer am selben Ort. Sie steht da. Sie wartet. Sie wartet, bis der Helikopter in der Ferne verstummt ist. Sie geht zum Papierkorb, holt die Schnipsel heraus - die, die sie findet - und setzt sie zusammen. Auch den Fettfleck klebt sie wieder an. Dann fotokopiert sie das Entstandene. Sie fotokopiert es schwarz-weiss, dann hängt sie es an die Wand. Sie steht davor, betrachtet es. Jetzt ist es ein Bild, denkt sie, immerhin ein Bild.


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Freitag, 23. Januar 2009

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Fútbol es un baile

(für F.B.**)

Er läuft nicht mit dem Fuss, viel mehr scheint er mit ihm zu tanzen, oft ein Stück vor dem schwarz-weiss gekleideten Tanzpartner, dann berührt er ihn wieder kurz - ein-,
zweimal -, um dann wieder über die grüne Tanzfläche zu gleiten, zwirbeln, wirbeln. Er springt in die Luft, sich um die eigene Achse windend, als würde er fliegen, ohne Flügel fliegen. Zurück auf dem Grün, angezogen durch die Kräfte der Gravitation, springt er gleich noch zweimal in die Höhe und wird dann sachte von seinem Tanzpartner in eine Richtung gedrängt. Zusammen schlängeln sie sich um Hindernisse. Dann ein Stoss, ein gezielter Stoss. Knapp über dem Boden wird er einem anderen Tanzpartner übergeben. Er schmiegt sich an ihn, um gleitet ihn fast zärtlich, lässt sich von ihm führen - immer näher dem Ziel, immer näher. Jetzt! Er fliegt in einem eleganten Bogen, vorbei an staunenden Gesichtern, streift ein Haarbüschel, doch nur das Netz vermag seinen Flug aufzuhalten, seinen Tanz zu beenden.
Tor, Tor, Tooor! (Ach Scheisse! für den Gegner...)


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**
Fuss Ball

Montag, 19. Januar 2009

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Von Zahlen und Namen

Sag mir nicht, wann du Geburtstag hast. Ich will es nicht wissen! Nein, natürlich mag ich dich! Ich... Nein, deine Telefonnummer will ich auch nicht aufschreiben. Ich schreibe lieber deine Adresse auf, vielleicht einfach ohne Hausnummer, wenn es dich nicht stört - oder du kannst die Telefonnummer selber in mein Handy eintippen und gleich unter deinem Namen speichern. Ich rufe dich an - bestimmt! Ich will auch nicht wissen, wie spät es gerade ist, geschweige denn, welchen Tag wir heute haben. Ich habe dich heute getroffen. Heute, jetzt - das reicht vollkommen, und deinen Namen, den würde ich gerne erfahren. Wie viele Geschwister du hast und wie alt die sind, nein, das will ich auch nicht wissen. Nicht, dass es mich nicht interessieren würde, aber sag mir lieber wie sie alle heissen. Die Namen kann ich wieder vergessen, wenn nicht heute, dann morgen. Auch wenn sich dein Name nicht in mein Herz einbrennen wird, die Zahlen werden es tun. Sie werden sich in mein Gehirn einbrennen, wie sich eine hässliche Farbtätowierung in die Haut einbrennt und vernarbt. Ich werde sie loswerden wollen - wie alle diese Scheisszahlen in meinem Kopf! 10.10.2000, 31.7.1997, 14.9.2001, 28.6.1984, 26.5.1995, 5.5.2006, 7.4.2008, 9.7.1994 und dann noch dieser blöde 7.7, 19.1.1980, 9.6.1980, 20.7.1927, 24.12.1976, 1.9.1981, 20.4.1979, 6.6.1979, 6.11.1978, 19.9.1953, 3.12.1951, 15.1.1980, 11.7.1981, 21.9.1979, 437846143747454371309.... Die Zahlen im Kopf - Zahlen in Farbe - wollen nicht weg. Sie verfolgen mich schon mein ganzes Leben. Telefonnummern von Freunden, Telefonnummern von Freunden, die umgezogen sind, Geburtsdaten von Freunden, Geburtsdaten von Freunden, die nicht mehr Freunde sind, Hausnummern, Autonummern, Daten, Zahlen, sinnlos... Mein Erstes Mal, mein erster Kuss, die Reisedaten nach Kuba, Costa Rica, in die Türkei und zurück, Geburtstage und noch mal Geburtstage. Alles vergangen, alles egal... Die Zahlen bleiben unlöschbar in meinem Gehirn abgespeichert - und ausserdem noch in Farbe. Rote Zahlen, gelbe Zahlen, Zahlen in Grün, Zahlen in Rosarot... Manche Zahlen sind nur noch Zahlen. Sie sind zwar farbig, haben aber während der Jahre in meinem Kopf die Zuordnung zu ihrem Ereignis verloren. Sie schwirren und irren durch die endlosen Bahnen meiner Gehirnwindungen, treffen auf bekannte, ereignisreiche und somit stolze Zahlen und wissen selber nicht mehr, wer sie sind. Trotzdem sind sie nicht bereit zu gehen. Sie irren weiter, und immer, wenn sie auf Zahlenkombinationen treffen, die ihnen ähneln, schreien sie. Sie schreien, sie seien auch noch da. Sie seien obdachlose Zahlen. Sie seien verloren gegangen, gefangen in meinem Kopf, und sie suchen nach Erinnerungsfetzen oder nach neuen Ereignissen und Bedeutungen, denen man sie zuordnen könnte. Schwachsinn, sage ich. Wie will 22.5.1986 mit einer neuen Bedeutung ausgestattet werden...? Verschwinden sollt ihr! Also, bitte, versuch mich zu verstehen. Keine neuen Zahlen! Auf keinen Fall! Ich will nicht die Schwiegertochter deiner Mutter werden. Sie darf mich ruhig hassen, dass ich ihren Geburtstag nie wissen werde. Ich will ihn nicht wissen! Ich kann sowieso nicht backen, und Weihnachten gibt es ja auch noch - egal, ob du am 24. oder 25.12 Weihnachten feierst, daran werde ich denken. Ich kann Pralinées kaufen, für 14,80 beim feinen Beck um die Ecke. Verrat mir bloss deinen Namen. Ich werde versuchen, mir den zu merken - bis morgen - und ich werde ihn eingeben in mein Handy. Das wird deine Nummer wählen. Ich werde mich melden - bestimmt. Dein Name wird sich aber nicht in mein Herz brennen - also bitte keine Zahlen, keine Zahlen mehr...
Rolf...? Und dein Vater heisst auch Rolf? Ja, das kann ich mir merken, denke ich...
(siehe auch: "Für alle Rölfe", einen Beitrag auf diesem Blog vom 5.11.2008 und siehe Synästhesie: http://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie, http://www.neon.de/kat/politik/denksysteme/1073143615/521.html)


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Dienstag, 13. Januar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Ingwertee und Honig

Die Landschaft prescht an mir vorbei. Hügel, Häuser, Wälder, Dörfer, Hügel, Dörfer, Felder, Wälder, Schnee, Häuser, Hügel - grau in grau. Ich sitze auf einem meerblauen Sitz mit rotorangem Muster. Neben dem Fenster hängen Vorhänge, die sich der Fahrtbewegung immer etwas verspätet anschmiegen. Sie sind auch rotorange - ein anderes Rotorange, als das des Musters auf dem meerblauen Sitz. Ich sitze in Fahrtrichtung und schaue aus dem Fenster, grau in grau. Noch bin ich so nah an der Schweiz und doch ist alles schon so flach. Mir fehlen schon die Berge, die weissen Berge, denke ich. Noch bin ich so nah an der Schweiz, aber es öffnet sich eine Leere, es öffnet sich Raum. Vorwärts fahre ich aus der Schweiz und denke an Mani Matter - Ir Iisebahn sitze die einte eso, dass si alles, was chunnt scho zum vorus gseh cho und dr Rügge zuechehre der Richtig vo wo dr Zug chunnt...
Es riecht nach Kuba im Eingang der Wohnung. Es muss das Heizöl sein. Es ist kalt. Der Tee ist warm und schmeckt nach Ingwer und Honig. Ich höre Gesang aus dem Badezimmer - Töne, die sich überschlagen, an den hohen Wänden abprallen und sich in einander vermischen, wie Wasserfarben auf nassem Papier. Nass in nass, kalt in kalt, Ingwer und Honig. Der Tee ist warm. Die Bewegungen der Tanzenden sind langsam, sehr langsam, als würde man einen Film in Zeitlupentempo abspielen. Ein Tanz um eine imaginäre Mitte. Ein Tanz ohne Musik, nur der Gesang, der durch die dünnen Wände aus der Dusche in den Tanzraum dringt. Ich lege mich auf den Boden und fange die tanzenden Körper mit der Kamera ein. Meine eigenen Bewegungen haben sich an ihren Rhythmus angepasst - Zeitlupentempo, Kälte und warmer Ingwertee. Die Probe wird beendet mit Atemübungen. Einatmen, ausatmen auf S, nicht mehr einatmen bis der Körper nach Luft zu schreien beginnt. ssssssssss - wie bei einem Orgasmus stöhnen ihre Körper unkontrolliert auf - eine Erleichterung. Ich trinke den Tee aus und betrachte die Bilder auf dem Display. Der Gesang ist verstummt, als wäre er eigens für den Tanz gesungen worden. Nur noch das Plätschern der heissen Dusche durchbricht die Stille. Die Nikon ist glücklich über die fremden Bilder, die sie festhalten durfte - wie ein Hund, der zum ersten Mal am Meer Gassi geführt wird. Sie lacht die dezenten Farben, die kontrollierten Körper in meine Augen. Sie erzählt mir ein Märchen, das ich noch nie gehört habe. Die Nikon will auch noch die Stadt nach Bildern absuchen, sagt sie. Ich gebe ihrem Bitten nach und begleite sie. Sie sucht, sie sucht und schreit, wenn sie ein Bild sieht, das sie einfrieren will. Sie schreit aus der Tasche, bis ich sie auspacke und ihr den Wunsch erfülle. Mit klammen Fingern drücke ich den Auslöser. Kliklack lacht die Nikon. Zusammen streifen wir durch die eisige Kälte. Die Bise durchdringt alle Stoffe und berührt meine Knochen - und den Akku der Nikon. Sie gibt auf, die Nikon. Sie will nicht mehr. Sie will keine Bilder mehr einfrieren, weil sie selber friert, bis auf ihr Herz, ihr Akkuherz. Nun stehe ich da, alleine in der grauen Stadt und fühle mich verlassen - von allen guten Geistern verlassen (auch die Lumix ist am Ende ihrer Kräfte. Die Speicherkarte ist voll). Kino? Tee? Ausstellung? Coiffeur, beschliesse ich. Ich lege meinen Kopf in die Hände der Französin. Sie massiert meine Kopfhaut. Ich schliesse die Augen, weil grelles Neonlicht in auf meine Netzhaut brennt. Ich schaue den farbigen Punkten zu, die hinter meinen Lidern tanzen. Die Massage ist gut. Sie spricht wenig, die Französin. Comme-ça, c'est bon - ouioui... Sie rupft und zieht an meinen Haaren, aber immerhin redet sie kaum. Das ist gut, die Frisur etwas weniger - etwas verschnippelt. Wie Stacheln eines Igels stehen die Haare von meinem Kopf ab. Ich schaue in den Spiegel und erschrecke ein bisschen. Ich denke an Mani Matter. Hundert Igel schauen mich an, und wenn ich den Mund öffne - ouioui - ein ganzer Igelchor. Doch noch Tee in einem "Salon de Thé". Alte und junge Leute sitzen vereint an den runden Tischchen. Alle trinken Tee, um die kalten Hände an den Tassen aufzuwärmen, um die Seelen am heissen Getränkt zu erwärmen. Es ist voll, voll Töne und Menschen. Ich setze mich zu einem alten Mann. Eine Zeitung und ein Beret liegen auf dem Tisch vor ihm. Eine Tasse dampft vor sich hin. Er schaut von seinem Buch auf, nickt mir zu. Ich bestelle einen Tee mit Zimt und Honig. Ich reibe das Akkuherz. Die Nikon lässt sich erweichen und zeigt mir die eingefrorenen Momente der lebendigen Stadt. Der Mann beobachtet mich verstohlen über den Rand seines Buches. Ich schlürfe das heisse, süsse Getränk. "Henri Michaux" steht auf dem Buch. Der Mann legt es weg. C'est bon - ouioui... Er wurde in Deutschland geboren. Er heisst Max. Er ist Künstler, Maler und lebt hier seit über 40 Jahren. Er mag die Cafés. Er mag lesen und Menschen beobachten. Die Kälte mag er nicht so. Im Winter hat es so viele Leute in seinen Cafés. Er packt ein kleines Buch aus seiner hellbraunen Ledertasche, kramt nach einem Kugelschreiber, schreibt etwas in das Buch, legt es hin, bezahlt und steht auf. Ich greife nach dem Buch und will es ihm hinstrecken. Er macht mit dem Kopf eine Nickbewegung in meine Richtung, sagt es gehört jetzt Ihnen und geht. "In der Gesellschaft der Ungeheuer, ausgewählte Dichtungen. Henri Michaux." Merci, denke ich und blicke zur Tür, die schon wieder geschlossen ist. Für Regine von Max, steht auf der Rückseite des Umschlags. Merci, denke ich. Ich gehe zurück in das Zimmer. Es riecht nach Kuba. Ich lade den Akku auf und koche einen Tee. Es riecht nach Kuba, und ich trinke Ingwertee - Ingwertee mit Honig. Mein Körper wird warm, das Akkuherz lädt sich wieder auf, und die Frisur ist mit viel Wachs - und Ingwertee - auch nicht mehr so schlimm.
Die Rückfahrt geht rückwärts. Mit dem Rücken zur Schweiz fahre ich wieder zurück in den Schnee, zurück zu meinen Bergen. Ich denke an Mani Matter - di andere, die sitze ir Bank vis-à-vis, dass si lang no chöi gseh, wo der Zug scho isch gsi und dr Rügge zuechehre der Richtig wohi der Zug fahrt...
Grau in grau geht's rückwärts nach Hause - grau in grau und Ingwertee in einer Thermosflasche.


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Samstag, 10. Januar 2009

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...nur einer schaut zurück



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Hommage an Man Ray





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Un Lion à Lyon

Parce que je ne suis pas un lion qui vit dans le zoo de Sion, je pars. Je pars pour Lyon où on lit dans le lit sans le lion de Sion. Je ne pars pas pour Varsovie, pas pour paradis, mais je pars pour dieu, pour Part-Dieu car c’est la gare, loin de la Loire, mais entre le Rhône et le Saône. C’est un lieu de dieu, je pense. Un lieu de dieu à Lyon où on dormit dans un lit de Vivi parce que Vivi vit là-bas avec des chats et un lion qui s’appelle Léo.
Je dis merci pour le lit, pour les jours sans penser à l’amour, pour le souvenir à trois jours et nuits jolis.
A la prochaine fois – peut-être cette fois chez moi!


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Samstag, 3. Januar 2009

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Somethings never change

Meine Grossmutter sagt: "Hesch gseh, ds Chüuchli?" Das "Chüuchli" hängt immer auf der linken Seite des Christbaums, etwa auf der Höhe meiner Schultern. Wie könnte ich das "Chüuchli" nicht sehen. Ich sehe nur das "Chüuchli" und warte auf die Frage "Hesch gseh, ds Chüuchli?" Bevor ich das Haus meiner Eltern betrete, bevor ich meine Grossmutter begrüsse, warte ich auf die Frage, die immer kommt - sonst wäre nicht Weihnachten. Meine Grossmutter wohnt nicht mehr zu Hause. Sie dekoriert den Tannenbaum nicht mehr selber. Meine Eltern haben nie einen Tannenbaum gekauft. Wir haben früher einen Baum im Garten geschmückt, mit Silberfäden und weissen Kerzen. Aber seit meine Grossmutter in einem Alterswohnheim lebt, kaufen sie einen Baum und hängen das "Chüuchli" auf die linke Seite, etwa auf die Höhe meiner Schultern. Und meine Grossmutter sieht das "Chüuchli", bevor sie es suchen kann, und die Frage ist gestellt, bevor sie jemand denken kann. Meine Geschenke liegen auf der linken Seite, die meiner Schwester auf der rechten Seite. Das war immer so. Einmal war es anders und alle waren verwirrt. Wir bekommen jedes Jahr Hauchdünn geschenkt, meine Schwester und ich - die braunen crèmigen Hauchdünn. Jedes Jahr sagen wir, wir mögen die schwarzen lieber. Aber jedes Jahr liegen wieder die braunen crèmigen auf der rechten und der linken Seite des Baumes, und wenn ich sie sehe, freue ich mich darauf, dass meine Schwester sagt, dass sie die schwarzen lieber mag. Und es gibt Pommeschips zum Nachtessen, Paprikachips zum Weihnachtsessen. Das war immer so, sonst wäre nicht Weihnachten. Die Grossmutter Mutterseits schenkt meinem Vater Wein, Rotwein und selber gemachte "Brätzeli". Sie sortiert ihm extra die dunklen in eine Blechdose, die mit Schneeflocken verziert ist und sagt: "Hesch gseh, i ha dir äxtra die dunkle usegsuecht, wüu du die am liebschte hesch, gäu!" "I ha lieber die häue, nid die dunkle." antwortet mein Vater, und ich freue mich darüber und sage, dass ich die dunklen lieber mag und esse sie alle auf. "U du, wie läbsch?" Fragt die "Chüuchli"-Grossmutter. "U du, wie läbsch?" fragt sie am selben Abend immer wieder - wie läbsch, wie läbsch, wie läbsch... klingt es wie ein Echo in meinen Ohren weiter. Das Echo klingt in meinen Ohren bevor der Satz das Echo auslösen kann. Ich höre das Echo meiner Gedanken, schon bevor ich mir die Gedanken machen kann u mi Schatte isch afa schneuer als ig, i ma ihm fasch nüm nache... Somethings never change, never change, never change, never change... Sonst wäre nicht Weihnachten. "Es guets Nöis u blib wide bisch!" - sonst wäre nicht Neujahr. I bi scho morn nüm glich wi hüt, dass wissen wir alle (zumindest alle Berner), und trotzdem sagen wir die Sätze, die wir sagen müssen, besonders während der Tage im Dezember: "Machs guet u häb Sorg", und es tönen Lieder in meinen Ohren, als würden tausend Weihnachts- und Silvesterglöcklein gleichzeitig läuten. "Es guet Nöis, dass au dini Wünsch u Tröim i erfüllig gö im nöie Jahr!" Im 2009 werden sie alle in Erfüllung gehen, alle meine Wünsche und Träume. Ich habe noch immer bekommen, was ich wollte - nur leider weiss ich nicht, was ich will... Vielleicht ein Schloss? Einen Winterschlaf oder e Grossbrand i mis Härz? Oder ich könnte mir ein Kind wünschen. Frauen kriegen Kinder. Sie machen den Haushalt und die Männer verdienen Geld. Das auch war immer so, sonst wären wir nicht da, wo wir sind. Sie sind Jäger und Fischer. Sie jagen das Geld und manchmal jagen sie auch Tiere - oft Katzen, manchmal auch Kater. Die Frauen sind Sammler. Sie sammeln das Essen mit orangen Körben in den orangen Supermärkten (siehe auch: http://vonfeltenwelten.blogspot.com/2008/11/von-felten-welten-productions_2030.html Beitrag auf diesem Blog). Sie sammeln Schuhe und Taschen. Sie sammeln Staub mit einem Staubwedler ein, und sie sammeln Trophäen "Hesch guet kochet. Hesch suber putzt. Hesch es schöns Chind, wunderschön. Es glichet dir u dim schöne Ma." Und wir sind emanzipiert. Eine richtig emanzipierte Gesellschaft, viel emanzipierter als die im Osten (oder wo wohnen die Terroristen, die ihre Frauen Kopftücher tragen lassen?). Hier lässt man die Frau selber merken, dass sie viel besser Hemden bügeln und gut putzen kann (viel besser als die Männer! Die machen nie richtig sauber. Da putzt Frau besser selber und lässt den Mann das Geld heimbringen. Das kann er dafür besser, mhm). Ich glaube, ich wünsche mir für's 2009 ein Kind, einen Mann und eine Katze (nur bitte keinen Kater, dann schon lieber e Moudi oder einfach einen Hasen, aber wenn möglich einen stillen), und ich wünsche mir ein Haus am See mit em ne Bänkli vor der Türe und vielleicht noch ein bisschen Geld, damit d Zyt u ds Glück nümme a mir verby zieh. Das ist mein allerliebstes Feindbild, das ich da noch einmal aus dem Keller hole und putzte, bis es wieder so glänzt. Nume Bire wärde so riff... Ich glaube, ich wünsche mir doch lieber eine Reise irgendwohin, wo es warm ist (ans Kap der Guten Hoffnung oder in den Osten). Das passt irgendwie besser zu mir, und ich soll ja schliesslich so bleiben, wie ich bin, hat man mir gesagt. Ich bin noch nie ab Bälpmoos geflogen. Ich könnte mal nachschauen, ob es günstige Flüge gibt von da. Ich würde gerne durch Sizilein reisen und dann mit einer Fähre auf irgendeine schöne Griechische Insel fahren, und Kreta tönt doch besser als Heimberg... Und in einem Jahr gibt es dann wieder Pommeschips zu Weihnachten, Hauchdünn und dunkle "Brätzeli". Das "Chüuchli" hängt wieder auf der linken Seite des Christbaums auf der Höhe meiner Schultern und dann wieder "es guets Nöis!". Merci, und ich hole wieder mein allerliebstes Feindbild aus dem Keller und singe ein Lied, das so endet wie es anfängt. Somethings never change und freue mich darüber (oder nicht?)


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