Samstag, 3. Januar 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Somethings never change

Meine Grossmutter sagt: "Hesch gseh, ds Chüuchli?" Das "Chüuchli" hängt immer auf der linken Seite des Christbaums, etwa auf der Höhe meiner Schultern. Wie könnte ich das "Chüuchli" nicht sehen. Ich sehe nur das "Chüuchli" und warte auf die Frage "Hesch gseh, ds Chüuchli?" Bevor ich das Haus meiner Eltern betrete, bevor ich meine Grossmutter begrüsse, warte ich auf die Frage, die immer kommt - sonst wäre nicht Weihnachten. Meine Grossmutter wohnt nicht mehr zu Hause. Sie dekoriert den Tannenbaum nicht mehr selber. Meine Eltern haben nie einen Tannenbaum gekauft. Wir haben früher einen Baum im Garten geschmückt, mit Silberfäden und weissen Kerzen. Aber seit meine Grossmutter in einem Alterswohnheim lebt, kaufen sie einen Baum und hängen das "Chüuchli" auf die linke Seite, etwa auf die Höhe meiner Schultern. Und meine Grossmutter sieht das "Chüuchli", bevor sie es suchen kann, und die Frage ist gestellt, bevor sie jemand denken kann. Meine Geschenke liegen auf der linken Seite, die meiner Schwester auf der rechten Seite. Das war immer so. Einmal war es anders und alle waren verwirrt. Wir bekommen jedes Jahr Hauchdünn geschenkt, meine Schwester und ich - die braunen crèmigen Hauchdünn. Jedes Jahr sagen wir, wir mögen die schwarzen lieber. Aber jedes Jahr liegen wieder die braunen crèmigen auf der rechten und der linken Seite des Baumes, und wenn ich sie sehe, freue ich mich darauf, dass meine Schwester sagt, dass sie die schwarzen lieber mag. Und es gibt Pommeschips zum Nachtessen, Paprikachips zum Weihnachtsessen. Das war immer so, sonst wäre nicht Weihnachten. Die Grossmutter Mutterseits schenkt meinem Vater Wein, Rotwein und selber gemachte "Brätzeli". Sie sortiert ihm extra die dunklen in eine Blechdose, die mit Schneeflocken verziert ist und sagt: "Hesch gseh, i ha dir äxtra die dunkle usegsuecht, wüu du die am liebschte hesch, gäu!" "I ha lieber die häue, nid die dunkle." antwortet mein Vater, und ich freue mich darüber und sage, dass ich die dunklen lieber mag und esse sie alle auf. "U du, wie läbsch?" Fragt die "Chüuchli"-Grossmutter. "U du, wie läbsch?" fragt sie am selben Abend immer wieder - wie läbsch, wie läbsch, wie läbsch... klingt es wie ein Echo in meinen Ohren weiter. Das Echo klingt in meinen Ohren bevor der Satz das Echo auslösen kann. Ich höre das Echo meiner Gedanken, schon bevor ich mir die Gedanken machen kann u mi Schatte isch afa schneuer als ig, i ma ihm fasch nüm nache... Somethings never change, never change, never change, never change... Sonst wäre nicht Weihnachten. "Es guets Nöis u blib wide bisch!" - sonst wäre nicht Neujahr. I bi scho morn nüm glich wi hüt, dass wissen wir alle (zumindest alle Berner), und trotzdem sagen wir die Sätze, die wir sagen müssen, besonders während der Tage im Dezember: "Machs guet u häb Sorg", und es tönen Lieder in meinen Ohren, als würden tausend Weihnachts- und Silvesterglöcklein gleichzeitig läuten. "Es guet Nöis, dass au dini Wünsch u Tröim i erfüllig gö im nöie Jahr!" Im 2009 werden sie alle in Erfüllung gehen, alle meine Wünsche und Träume. Ich habe noch immer bekommen, was ich wollte - nur leider weiss ich nicht, was ich will... Vielleicht ein Schloss? Einen Winterschlaf oder e Grossbrand i mis Härz? Oder ich könnte mir ein Kind wünschen. Frauen kriegen Kinder. Sie machen den Haushalt und die Männer verdienen Geld. Das auch war immer so, sonst wären wir nicht da, wo wir sind. Sie sind Jäger und Fischer. Sie jagen das Geld und manchmal jagen sie auch Tiere - oft Katzen, manchmal auch Kater. Die Frauen sind Sammler. Sie sammeln das Essen mit orangen Körben in den orangen Supermärkten (siehe auch: http://vonfeltenwelten.blogspot.com/2008/11/von-felten-welten-productions_2030.html Beitrag auf diesem Blog). Sie sammeln Schuhe und Taschen. Sie sammeln Staub mit einem Staubwedler ein, und sie sammeln Trophäen "Hesch guet kochet. Hesch suber putzt. Hesch es schöns Chind, wunderschön. Es glichet dir u dim schöne Ma." Und wir sind emanzipiert. Eine richtig emanzipierte Gesellschaft, viel emanzipierter als die im Osten (oder wo wohnen die Terroristen, die ihre Frauen Kopftücher tragen lassen?). Hier lässt man die Frau selber merken, dass sie viel besser Hemden bügeln und gut putzen kann (viel besser als die Männer! Die machen nie richtig sauber. Da putzt Frau besser selber und lässt den Mann das Geld heimbringen. Das kann er dafür besser, mhm). Ich glaube, ich wünsche mir für's 2009 ein Kind, einen Mann und eine Katze (nur bitte keinen Kater, dann schon lieber e Moudi oder einfach einen Hasen, aber wenn möglich einen stillen), und ich wünsche mir ein Haus am See mit em ne Bänkli vor der Türe und vielleicht noch ein bisschen Geld, damit d Zyt u ds Glück nümme a mir verby zieh. Das ist mein allerliebstes Feindbild, das ich da noch einmal aus dem Keller hole und putzte, bis es wieder so glänzt. Nume Bire wärde so riff... Ich glaube, ich wünsche mir doch lieber eine Reise irgendwohin, wo es warm ist (ans Kap der Guten Hoffnung oder in den Osten). Das passt irgendwie besser zu mir, und ich soll ja schliesslich so bleiben, wie ich bin, hat man mir gesagt. Ich bin noch nie ab Bälpmoos geflogen. Ich könnte mal nachschauen, ob es günstige Flüge gibt von da. Ich würde gerne durch Sizilein reisen und dann mit einer Fähre auf irgendeine schöne Griechische Insel fahren, und Kreta tönt doch besser als Heimberg... Und in einem Jahr gibt es dann wieder Pommeschips zu Weihnachten, Hauchdünn und dunkle "Brätzeli". Das "Chüuchli" hängt wieder auf der linken Seite des Christbaums auf der Höhe meiner Schultern und dann wieder "es guets Nöis!". Merci, und ich hole wieder mein allerliebstes Feindbild aus dem Keller und singe ein Lied, das so endet wie es anfängt. Somethings never change und freue mich darüber (oder nicht?)


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Wie ein kleiner Bergbach plätschert es ins Tal, oder sonst wohin, und all die schweren Steine und Geröll sind unterm frischen Wasser nur zu erahnen, das Wasser, das vielleicht hunderte von Jahren im Gletschereis eingesperrt war und jetzt mit ein bisschen Wärme, oder Wein, ich weiss es nicht, sich befreit... erfrischend!