Samstag, 1. November 2008

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Fotografieren kommt aus dem Griechischen


Fotografie ist ein mit Licht geschriebener Brief. Ich schmelze dahin, als ich das lese und beschließe, diesen Satz am nächsten Tag an die Schul-Wandtafel zu schreiben - neben die Worte in roten Buchstaben, die nie ausgewischt werde dürfen fotografieren ≠ fötele. Ich schreibe oft Zitate über Fotografie an die Tafel. Sätze, die mir gefallen. Ich weiss nicht, ob die Schüler meiner beiden Klassen sie überhaupt lesen. Das ist auch egal! Ich freue mich selber am meisten über die weißen Worte der Liebhaber der Fotografie an der schwarzen Tafel - schöne Worte und keine mathematischen Formeln, oder fremdsprachiger Wortschatz wie im Gymnasium!

Eine Hand schnellt in die Höhe. Sie gehört zu einem rothaarigen Jungen mit Rastas. Die einzige Bewegung in der Klasse. Nur ein Schüler hat schon einmal einen Film selber entwickelt. Siebzehn ratlose Augenpaare schauen mich an. „Hat überhaupt schon einmal jemand auf Film fotografiert?“ Keine weitere Hand. „Gut, dann einmal ganz von vorne: Früher, als es noch keine Digitalkameras gegeben hat, musste man einen Film, der Vorgänger des Chips in die Kamera einlegen. Das Licht schreibt sich auf das lichtempfindliche Material ein. Man nennt diese Technik analoge Fotografie.“ „Das isch ja huere müehsam! Darfi nid mit mire Digicam fötele?“ Fötele... Wie eine kalte Dusche fühlt sich dieses Wort an, eine Eiskalte Dusche im Winter! Ich drehe mich zur Wandtafel, zu den roten Worten fotografieren ≠ fötele und sehe den Satz Fotografie ist ein mit Licht geschriebener Brief...

'Wer hat schon einmal einen Brief von Hand geschrieben' Benedikt wäre wahrscheinlich wieder die einzige, der seine Hand hochstrecken würde, wenn ich diese Frage wirklich stellen würde. 'Gut, dann einmal ganz von vorne: Früher, als es noch kein Internet gegeben hat, kein Handy, haben sich die Menschen Briefe geschrieben. Sie haben einen Stift genommen, die Worte, die ihr mit der Tastatur schreibt, auf Papier geschrieben und abgeschickt. Im Briefkasten waren damals nicht nur Rechnungen, Werbung und Zeitungen, sondern auch Karten und eben die Briefe - eigentlich analoges Kommunizieren, könnte man sagen...' 'Das isch ja huere müehsam! Es E-Mail isch vil gäbiger!'

„Regine, darfi nid mit mire Digicam fötele?“ fragt mich dieselbe Schülerin noch einmal und holt mich wieder zurück in die Realität. „Zuerst lernt ihr analog fotografieren und ausserdem fotografieret ihr im Fotografieunterricht. Ihr fötelet nicht... Fötele tut man in den Ferien. Das ist wie knipsen, herum knipsen. Beim Fotografieren sucht man ein Bild oder man stößt auf eines. Man wählt einen Ausschnitt und drückt im richtigen Moment ab. Fotografieren ist eine aktive, bewusste Handlung und fötele geschieht so nebenbei. Man knipst ein bisschen in der Umgebung herum.“

Fotografie ist ein mit Licht geschriebener Brief. Als die Schüler draußen sind - manche am fotografieren, andere am fötele -, lese ich den Satz noch einmal. Irgendwie ist die ganze Magie dieses Satzes am Arsch, denke ich. Ich wische die Buchstaben weg und schreibe „Fotografie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „mit Licht Zeichnen“ - auch schön, aber irgendwie wie eine mathematische Formel - oder eben die Übersetzung eines fremdsprachigen Wortes... Ich glaube, ich werde mir eine eigene kleine Tafel kaufen und über mein Bett hängen. Darauf werde ich meine Lieblingssätze über Fotografie aufschreiben, für mich alleine - und den Schülern werde ich einfach sagen, sie sollen nicht mehr fötele und auch nicht mehr fotografieren, sie sollen zeichnen, zeichnen mit dem Licht.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

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