Montag, 2. März 2009

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Von faulen Eiern, Pinguinen, Eisschollen und Rosen

Ungläubig blinzeln die bleichen Gesichter in das Licht. Sie sind geweckt worden. Warme Sonnenstrahlen haben ihren Winterschlaf beendet. Auf dem Platz in der Stadt stehen Stühle und Tische bereits draussen, und von allen Seiten strömen die Menschen nun ausgehungert in der Mitte zusammen. Wie kleine Tierchen haben sie, noch etwas zaghaft und schläfrig, ihre Überwinterungshöhlen verlassen, um sich endlich wieder zu treffen, endlich wieder zu sehen, wer den harten Winter überlebt hat, und wer ihm erlegen ist. Hei nei, git's di o no!? Was machsch geng? Wo bisch de du gsi? In der Höhle waren sie, in ihren dunklen Löchern haben sie geschlafen und gefressen - geschlafen, gefressen, gesoffen und gewartet. Jeder weiss das, und trotzdem fragen sie einander ungläubig, nach der Überwinterungsstrategie, nach Neuigkeiten, vorallem nach Neuigkeiten - vielleicht hat ja doch irgendjemand in der Kälte draussen sein müssen. Vielleicht ist ja doch jemand erfroren, dem Eisbären erlegen, unter eine Eisscholle gekommen, durch einem Pinguinenbiss tödlich verletzt worden, oder jemand hat im Winter Nachwuchs gezeugt - und man weiss das noch nicht... Die bleichen Gesichter werden langsam rot, von der Sonne rot, vor Erregung rot. Sie freuen sich ehrlich, sich wieder zu sehen, sie freuen sich ehrlich, wieder gesehen zu werden. Hesch gseh, da di angeri isch ja huere fett worde dä Winter! Eeeh, die dert äne, mit der wisse Sunnebrülle. Gsesch se nid? Isch si äch schwanger? Nei, di het öpe eifach nüt angers gmacht aus gfrässe... (Da hani mer ause de scho chli meh Müeh gä. I cha wenigschtens no mini Bei zeige, u me meint nid grad, es sige griechischi Süüle.) Aber das Zweite denkt sie nur und schwenkt ihre Beine elegant über den Platz, damit ihre Hüften verführerisch beben; die Sonnenbrille auf der Nase, um die Blicke von beiden Seiten unauffällig in ihre Tasche stecken zu können. Am Abend, wenn die Sonne wieder hinter den Bergen verschwindet, nagelt sie die mühsam gesammelten Blicke wie Jagdtrophäen an die Wand - und geniesst. Der Platz hat sich am Nachmittag in einen Laufsteg verwandelt. Die teuren Sitzplätze sind bereits vergeben, aber es gesellt sich immer mehr Publikum dazu. Niemand weiss mittlerweile mehr, ob er nun Publikum ist oder gerade in der Manege steht, ob er Clown ist, Esel oder ein Supertalent, ein Mannequin. Ab und zu klatscht einer Beifall, schmeisst eine Rose nach der Schönen mit den langen Haaren. Aber schon steht er durch seinen Zwischenruf im Mittelpunkt und entscheidet sich im letzten Moment - schon Mitten auf der Bühne - den riskanten Seilakt wieder abzubrechen, ist ihm die Clownnummer doch in die Wiege gelegt worden. Faule Eier fliegen auf die Bühne, gefolgt von Plüschtieren, Tomaten und eben von Rosen. Der Clown, der gerne Seiltänzer wäre, wird getroffen von zwei faulen Eiern, geworfen aus unerwarteter Nähe. Er erschrickt. Er stolpert, fängt sich aber kurz vor dem Fall wieder auf, nimmt die triefenden, stinkenden Eier und schmeisst sie zurück in die Menge, woher sie gekommen waren. Er trifft. Wen es trifft, ist egal, Hauptsache, er ist das faule Ei wieder los und kann mitlachen, ist nicht mehr der Ausgelachte. Und so geht das Treiben weiter, bis die Sonne hinter der Häuserfront verschwindet. Die roten Gesichter glühen noch eine Weile in der eingekehrten Dunkelheit weiter, dann verschwinden sie wieder in den Löchern, in den Höhlen. Aber sie kommen wieder! Sie kommen wieder, sobald die Sonne wieder scheint - sofern sie nicht von einer Eisscholle erwischt werden oder durch einen Liebesbiss eines Pinguins tödlich verletzt werden, dann kommen sie wieder, und sie werden wieder Rosen schmeissen, Rosen und faule Eier.
(Danke für die Rosen... Anm. d. Red.)


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

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