Donnerstag, 18. Dezember 2008

Von Felten Welten-Productions* präsentiert

Liebe Ente

Die gelbe Badeente schaut mich vorwurfsvoll an. Jede Woche, wenn ich das Badezimmer putze, schaut sie vorwurfsvoller (was für ein wunderschönes Wort - vorwurfsvoller - fast so schön wie neue Schuhe!). Also die Ente, sie schaut jede Woche vorwurfsvoller. Ich habe ihr schon vor Monaten versprochen, ihren Bruder (oder ist es die Schwester?) bei meinen Eltern auf dem Estrich zu suchen. Normalerweise versuche ich meine Versprechen zu halten. Aus einem mir selber unerklärlichen Grund fällt es mir aber schwer, schon wieder auf den Estrich zu gehen um zu suchen, nach der anderen gelben Ente zu suchen. Es ist nicht der Estrich, der mich davon abhält. Ich mag den Estrich. Er ist voller kleiner Gegenstände, kleine Erinnerungsgegenstände. Es ist also nicht der Estrich. Es ist das Suchen. Ich suche in letzter Zeit wieder ziemlich oft. Das habe ich ja kürzlich schon erwähnt. Ich suche nach Gegenständen (eine verlorene schwarze Instantkamera mit silbernem Schriftzug, den zweiten Ohrring, ein Geschenk für meine Grossmutter zu Weihnachten, ab und zu den Hausschlüssel) Ich suche nach Erklärungen und manchmal nach Ausreden. Ich suche nach Worten und oft nach Entscheidungen. Jetzt kann natürlich jemand ganz weise behaupten, das ganze Leben sei eine Suche. Aber manchmal habe ich das Suchen einfach satt. Egal, ob das Leben aus Suchen besteht: Wie wäre es zur Abwechslung mit Finden? Natürlich, ich finde jeden Tag etwas. Ich finde eine Beschäftigung. Ich finde Staub in meiner Wohnung (der sammelt sich meist unter dem roten Sofa im Eingangsgang. Eingangsgang? Ein Eingang ist ja schon ein Gang, aber es gibt Eingangshallen und mein Eingang ist ein schmaler Gang, ein schmaler Gang im Eingang, also ein Eingangsgang). Ich finde Worte, die ich nicht gesucht habe, aber auch nicht finden wollte (eigene und fremde). Ich finde Ausreden (natürlich nicht meine, sondern fremde. Die eigenen suche ich ja...) und ich finde verfaulte Orangen in meinem Kühlschrank (das ich diese nicht finden will, müsste jedem klar sein). Aber ich finde kein Geld und ich finde vor allem keine Entscheidungen. Alles, was ich suche, finde ich nicht und was ich finde, suchte ich nicht. Ich heisse aber nicht Hans und wohne auch nicht im Schneckenloch - oder doch...? Ich weiss gar nicht, was ein Schneckenloch ist... Google sucht und Google findet auch... Google findet Wikipedia: Die Schneckenlochhöhle, auch Schneckenloch, ist eine große Karsthöhle bei Schönenbach im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Ob das die besagte Hans-Höhle ist? Aber Hans heisse ich nicht. Ich hätte Roland geheissen, wäre ich mit Penis zur Welt gekommen. Roland... Zum Glück - für einmal - habe ich keinen Penis. Ich mag den Namen Roland nicht. Ich entschuldige mich bei allen Rolands, Roländer, Rolanden, aber Roland klingt in meinen Ohren nach Rollmops, wie jtz tüet dir da di Rölleli dra u löts eifach la loufe. Eifach la fahre... u när Znüni nä....
Wenn ich die gelbe Ente suchen würde, hätte ich wahrscheinlich Erfolg, weil ich sie mit grosser Sicherheit finden würde. Ich würde finden, was ich suche. Wahrscheinlich suche ich nicht, weil ich gar nicht finden will oder ich finde nicht, weil ich nicht suche. Ich glaube nur zu suchen und singe in Wirklichkeit nur immer wider das Lied vom Hans....
Liebe Ente, ich werde meine Eltern noch einmal fragen, ob ich nicht vielleicht doch Hans geheissen hätte, wäre ich ein Junge geworden, und wenn ich dann schon bei meinen Eltern bin, um nach einer Antwort auf meine Frage zu suchen, kann ich auch gleich die andere Ente, dein Geschwisterchen suchen - und wahrscheinlich auch finden. Und wenn nicht, also, wenn meine Eltern sagen, ich hätte Roland geheissen, dann googel ich mal, was das weibliche Pendant zu Hans ist (und Google findet fast immer, was ich suche). Vielleicht, vielleicht ist es ja Regine... und wenn auch dem nicht so ist... die Ente werde ich finden, irgendwann, wenn ich endlich anfange zu suchen! Lieber Gruss vom Hans oder so.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Keine Kommentare: