Dienstag, 12. Januar 2010

Fisch ist Fisch

Wenn der Zug ohne mich abfährt, wenn ich noch da stehe und nicht so ganz sicher bin, was ich nun soll (Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen oder einfach stehen bleiben), dann fangen sie erst an.

Zuerst singen sie ein bisschen, manchmal ganz nett. Dann hören sie mir zu und lachen ab und zu - nicht höhnisch, aber ein bisschen ironisch schon. Dann singen sie wieder, plätschernd und fliessend einem Wasserfall ähnlich und lachen dann wieder, etwas lauter. Mir hören sie nicht mehr zu. Sie erzählen einfach. Ich glaube, es ist ihnen ganz egal, ob überhaupt jemand zuhört, ob ich ihnen zuhöre.

Ich höre aber zu. Ich muss ihnen zu hören - was sollte ich anderes tun? Ich könnte Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen, aber ich bleibe dann einfach stehen und höre zu. Dann sind sie auf einmal still. Sie erwarten von mir eine Antwort oder eine Fortsetzung, wahrscheinlich. Das ist aber nicht einfach, wenn sie dann einfach still sind und erwarten.

Du hast kürzlich zu mir gesagt, ich solle keine Erwartung haben. Abgesehen davon, dass du es gesagt hast, haben schon andere das gleiche gesagt, und ich will auch nicht erwarten, dachte ich eigentlich. Aber dann erwarte ich doch und suche ein Ziel - eigentlich nicht ein Ziel sondern das Ziel. Und dann sind sie einfach still und lachen ein bisschen - im besten Fall lachen sie noch ein bisschen.

Ich finde das schon fast ein bisschen frech! Wenn sie nichts sagen würden, wäre das in Ordnung. Aber so viel zu sagen, um im wichtigsten Moment nur noch zu lachen, und dann einfach zu schweigen, das ist doch frech, findest du nicht?

Sie reden ganz interessante Dinge, übrigens. Aber sie reden nur. Selber setzten sie nichts um. Sie können nicht. Sie reden nur - und erwarten. Oft sind sie etwas überschwänglich, etwas grossartig, aber wenn man sich ein bisschen Zeit nehmen würde, denke ich, und alles etwas konkretisieren würde, könnte man daraus ganz nützliche Dinge machen. Man könnte daraus ganz gute Dinge machen. Das wäre dann meine Aufgabe.

Das habe ich auch gemacht. Das habe ich gemacht, bis es nicht mehr ging, weil sie zu schweigen anfingen, wenn sie etwas hätten sagen oder wenigstens singen sollen.

Dann hast du gesagt und eben auch andere haben das selbe gesagt, ich soll wieder einfach machen, ohne Erwartung zuhören und machen - dann geht es besser, dann kommt es gut.

Du hast ja Recht. Man sagt ja schliesslich auch, dass das Ziel nicht das Ziel sein soll. Der Weg ist das Ziel, sagt man.

Aber ich weiss nicht, ob man das nur sagt, weil es so schön klingt, weil es so schön positiv klingt. Ich meine, wofür gibt es dann das Wort Ziel überhaupt, wenn nicht das Ziel das Ziel ist, sonder der Weg? Der Weg ist das Ziel.... Ich finde, Fisch ist Fisch irgendwie besser. Fisch ist Fisch. Ziel ist Ziel.

Ich mag Fische sowieso ganz gerne. Ich mag ihnen nicht gerne zu schauen - das ist langweilig. Sie schwimmen nur -, aber so als Tier in Gedanken mag ich sie. Sie sind so frei (oder ist das der Vogel?), sagt man. Das sagt man über sie auch. Das stimmt, leider. Sie machen, was sie wollen...

Wäre ich 2 Minuten früher aufgestanden oder hätte den Pickel nicht mehr ausgedrückt, hätte ich den Zug nicht verpasst. Dann würde ich jetzt nicht hier stehen, und sie würden nicht wieder sinnlos vor sich hin singen, um dann doch wieder nur zu schweigen.

Du sagtest, ich solle einfach zu hören und dann machen.

Mir wäre lieber, ich würde jetzt im Zug sitzen. Mir wäre lieber, sie würden einfach schweigen.

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