Sonntag, 7. November 2010

A.* und O.*

Als sie ankamen, hat sie den Mantel auf das frisch gemachte Bett gelegt und die Tasche ausgepackt. Sie hat alles in den leeren Schrank geräumt, die zehn Unterhosen aufeinander gestapelt auf ein Regal gelegt, daneben die zehn Socken - alles schwarze, dünne und dickere - und die zwei BHs. Einen Stock tiefer waren die Hosen, die kurzen und daneben die langen. Die Röcke hat sie aufgehängt, gleich neben den Blusen, und die T-Shirts und Pullover in das darüber liegende Regal eingereiht. Dann räumte sie das Necessaire aus und dann noch die Schuhe.

Sie räumt immer zuerst die Tasche aus, wenn sie ankommt, egal, wo sie ankommt. Sie räumt aus, um anzukommen - nicht umgekehrt. Erst dann ist sie angekommen.

Er sass auf dem Bett und rauchte. Seine volle Tasche stand neben dem Bett.

Als sie fertig war mit ausräumen, setzte sie sich zu ihm. Sie rauchte nicht mehr, deshalb sass sie nur da, inhalierte gierig seinen ausgestossenen blauen Qualm und sammelte Sätze, vielleicht auch Gedanken. Ich weiss nicht so genau, was sie sammelt.

Sie gehört zu den Menschen, die nach Paris fahren und ihre Tasche auspacken, für eine Nacht. Sie ist so. (Ich übrigens auch). Sie kommt an. Sie packt aus. Sie packt immer zuerst ihre Tasche aus. Erst dann ist sie angekommen, egal wo.

Er nicht. Er kommt an und raucht. Er reist und raucht. Er raucht, wenn er reist, und er raucht auch, wenn er ankommt. Er raucht, um anzukommen, um zu reisen und umgekehrt. Früher hat sie das auch getan. Jetzt inhaliert sie seinen Rauch und sammle Sätze oder Gedanken. Er gehört zu denen, die reisen und ihre Tasche nicht auspacken. Wahrscheinlich können diese Menschen ein Jahr reisen - oder länger noch - und haben in dieser Zeit ihren Koffer nicht einmal ausgepackt. Sie reisen, kommen an, vielleicht rauchen sie, vielleicht auch nicht, ziehen sich aus, ziehen sich wieder an, gehen, kommen an, vielleicht rauchen sie, vielleicht nicht, lachen, erleben, reisen und haben während der ganzen Zeit den Boden ihres Koffers nicht einmal gesehen.

Sie könnte das nicht. Sie hätte dann das Gefühl nirgends zu sein, nirgends angekommen zu sein, nirgends gewesen zu sein, vielleicht sogar niemals zuhause zu sein.

Er nicht. Er ist zu hause, wo sie ist, sagt er, und sie da, wo ihre ausgeräumte Tasche steht - und ihre Schuhe.


*Name mir unbekannt

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