Dienstag, 20. April 2010

Stumme Zeugin

Wenn er mich begrüsst hat, berührt er kurz mit der rechten Hand sein Herz und neigt dabei den Kopf leicht seitlich nach vorne. Auf einem kleinen, silbernen Tablett serviert er uns jedes mal Tee, Kaffee oder frisch gepresste Säfte - manchmal auch Gebäck dazu, immer lächelnd. Dann verschwindet er in ein anderes Zimmer oder er räumt den Balkon auf.

Sie trägt das Tuch zu Hause nur, wenn sie die Türe öffnet, auf den Balkon etwas holen geht, und wenn ich sie fotografiere.
Heute umrahmt ein schwarzes Tuch ihr Gesicht und hebt die grossen dunklen Augen hervor.

Sie wechseln ein paar Worte. Ihre Gespräche verstehe ich nicht. Es sei ein Gemisch aus Arabisch und Persisch, erklärt sie mir. Sie lacht heute viel. Ihre Augen sind diesmal nicht von Schatten umgeben. Sie scheinen sogar ein bisschen zu funkeln, wie die ihres Sohnes - tief schwarz, gross und das Funkeln.

Wir laden ihre Fotos auf meinen USB-Stick, als sie das Zimmer verlässt und zu ihm in die Küche geht. Ihre Schritte sind schnell, entschlossen. Sie spricht etwas schneller als sonst und lauter, als sie zu ihm etwas sagt. Verstehen kann ich sie nicht. Er wird auch laut und spricht auch schnell und noch lauter.

Dann knallt eine Tür ins Schloss.
Stille.
Dann Wasserrauschen im Bad.
Stille.

Sie kommt wieder in das Zimmer. Die Bilder sind auf dem Stick. Ich blicke sie an. Sie ist wieder blass, fast durchsichtig. Das Funkeln in den Augen, das ich vor weinigen Minuten zu erahnen glaubte, ist verschwunden. Sie wirken verschlossen und dunkle Schatten umrahmen sie. Helles Blut an ihrer Unterlippe. Sie wischt es immer wieder weg, das helle Blut.

Sie sagt nicht mehr viel, wischt nur immer wieder Blut weg.
Und ich sage nichts.

Ich gehe zurück - in meine Welt - und habe nichts gesagt.
Nichts.
Ich bin nichts, als eine stumme Zeugin - eine stumme Zeugin der dunklen Schatten um ihre Augen und des Blutes, des hellen Blutes...

Donnerstag, 15. April 2010

Lieber Thomas - weitere Gedanken über die Liebe

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, liegt es mir nicht so, romantische Sätze über die Liebe zu schreiben, aber trotzdem hat mich deine Frage angeregt über das Thema nachzudenken. Wie allgemein bekannt ist und in meinem vorhergehenden Text angetönt wurde, geht die Liebe durch den Magen, und nach dem Magen kommt, ebenfalls bekanntlich, der Darm.
Da ich gerne Zwiebeln in meine weisse Sauce mische, und Zwiebeln im Darm ein explosives Resultat erzeugen, liegt es nahe, über Fürze zu schreiben. Liebe und Fürze haben nämlich, zu mindest in meinen Augen, viel miteinander zu tun.
Als Kleinkinder furzen wir hemmungslos. Irgendwann lernt mensch dann, dass ein Furz etwas Unanständiges ist - besonders für Frauen.
Frauen furzen nicht. Sie furzen nicht in der Öffentlichkeit, zumindest nicht laut. Manchmal furzen sie leise, dann ist aber der Absender schlecht auszumachen, und sie kann immer noch den Mann neben ihr beschuldigen. Auf öffentlichen Toiletten hört man manchmal auch Frauenfürze, wie sie hohl in der Kloschüssel hallen. Dann bleibt aber die Tür der Toilettennachbarin so lange verschlossen, bis niemand mehr da ist, und sie ungesehen verschwinden kann.
Männer hingegen - nicht alle, aber viele - furzen. Sie furzen laut und fast überall. Sie führen Gespräche und furzen dazu - verquetschte Töne, wenn sie sitzen und vibrierend hohle, wenn sie stehen und ihre Pobacken nicht anspannen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Nur selten werden diese Geräusche mit Aufmerksamkeit taxiert - und sie freuen sich auch noch wenn sie würzig Düfte erzeugen.
Freunde haben zu mir gesagt, als ich sie auf die Furzerei angesprochen habe, ich solle doch auch einfach meine Scham abstreifen und ungehemmt einen fahren lassen.
Ich habe mir diese Worte zu Herzen genommen, und irgendwann, als genügend Vertrauen meinerseits vorhanden war, habe ich es getan - ich habe gefurzt, laut vor meinen Freunden. Sie waren in ein Gespräch vertieft, aber als sie meinen Furz hörten, sind sie alle verstummt, alle! Und sie haben mich angeschaut, als wäre ich soeben aus einem Raumschiff ausgestiegen. Aber ich wusste in diesem Moment, dass ich ihnen vertraue.
Fürze haben also mit Vertrauen zu tun.
In den ersten drei, vier Beziehungsmonaten, in der Rosa-Brillen-Zeit furzt man noch nicht, nicht laut und auch nicht leise, zumindest frau nicht - nicht oder noch nicht. Frau verquetscht sie lieber und riskiert Bauchschmerzen. Dann legt frau aber auch noch Toilettenpapier in die Kloschüssel, damit man das Plätschern nicht hört, beim Wasserlösen, wohlgemerkt...
Nach dieser Zeit aber, wenn das Vertrauen da ist, sollte auch frau bald einmal mit furzen anfangen. Ich habe es getan, ziemlich bald. Einen erstaunten Blick habe ich schon geerntet. Ich habe ihm aber damit mein Vertrauen bewiesen. Das habe ich ihm auch gesagt.
Und, lieber Thomas, ist Vertrauen nicht ein Liebesbeweis?
Er seinerseits, hat mir seine Liebe bewiesen, indem er meine Furzerei akzeptiert hat.
Und, lieber Thomas, ist Akzeptanz nicht ein Teil der Liebe!?
Ich meine, es gibt noch heute Männer, die finden, Frauen hätten nicht zu furzen, das sei unanständig, das sei nicht damenhaft... Aber so einen wollte ich nie - zu verkrampft in seiner Einstellung.
Deshalb ist meine Devise, lieber zu früh furzen und den unpassenden Mann schnell wieder loswerden, weil zu unemanzipiert, zu kompliziert. Und wenn er sie schon früh mit ihren Fürze annimmt, ohne Beifall zu klatschen, aber auch ohne die Töne beschämt zu ignorieren, sondern sie im besten Fall mit einem trockenen Spruch kommentiert, dann muss er der Richtige sein, dann muss es Liebe sein...

Über Löcher und die Liebe - für Thomas, der wissen wollte, was Liebe ist

Hunger ist ein Gefühl, als wäre anstelle eines Organs ein Loch, und wenn irgendwo ein Loch ist, wo keines sein sollte, dann stopft man es. Man nimmt passendes Material und füllt es in das Loch, bis da, wo das Loch war, keines mehr ist. Ein bisschen Brot, ein Stück Käse, zwei getrocknete Tomaten, eine handvoll Nüsse und weg ist das Loch.
Ich habe nie gerne gekocht. Am liebsten habe ich vor dem Kühlschrank zuerst meinen Teller, dann immer noch vor dem Kühlschrank meinen Magen gefüllt.
Manchmal hat jemand für mich gekocht. Meine Schwester, meine Mutter, oder er hat gekocht. Natürlich hat dieses warme Magenstopfmaterial um Längen besser geschmeckt, als der kalte Kühlschrankemmentaler und das vertrocknete Brot. Und ich habe auch immer gerne zugeschaut, wenn sie gekocht haben. Das Messer blitzte auf und ab und klopfte auf den Tisch, das siedende Wasser liess eine Nebellandschaft in der Küche entstehen und die Fischaugen sprangen aus den Augenhöhlen, als wären es Gummibälle.
Manchmal habe ich dann die Zwiebeln geschnitten, bis mir das Augenwasser die Sicht nahm oder eines meiner Fingerbeeren blutete. Dann habe ich wieder zugeschaut, und manchmal habe ich dann fotografiert. Ich habe viele Bilder, wie Essen zubereitet wird - fast so viele wie Wolkenbilder -, weisse Flüssigkeit, die in einen silbernen Topf läuft, Ölaugen vor schwarzem Teflon-Hintergrund, Hände, die geschickter als meine Zwiebeln in kleine Würfeln zerteilen und rote Krebse auf gelbem Tischtuch. Dann habe ich den Tisch gedeckt.
Und es hat geschmeckt - sehr gut hat es geschmeckt.
Irgendwann war er aber weg und hat nicht mehr für mich gekocht, und ich habe mich ausschliesslich vor dem Kühlschrank ernährt - mit Ausnahmen natürlich.

Die Bernsteinhonigaugen strahlen golden. Sie strahlen besonders golden, wenn er am Essen ist, wenn er ein Entrecôte zerteilt und den Bissen in seinen Mund schiebt. Und ich mag seine Augen, besonders wenn sie golden strahlen. Also muss ich kochen, dachte ich. Ich muss einfach kochen, dann strahlen sie schön golden.
Mit einem Kochbuch im orangen Einkaufskorb irrte ich durch die Regale, bis ich alle Zutaten hatte, die ich zum Lochfüllmaterial und Strahleaugenerzeuger verarbeiten wollte.
Mittlerweile habe ich bestimmt schon fünfzehnmal gekocht - Gnoggi mit weisser Sauce und ein Fleisch. Wein gibt es dazu, roter Wein in bauchigen Gläsern.
Und ich glaube, lieber Thomas, ich glaube, das muss Liebe sein, dass ich koche und er seine Augen golden für mich strahlen lässt, wenn er meine weichen Gnoggi verdrückt, das muss Liebe sein...

Freitag, 9. April 2010

An die Zeit

Stundenlang habe ich vergessen. Stundenlang habe ich dich vergessen, Zeit.
Ich sass da und schrieb. Das Gedachte floss, und es flog in einer Leichtigkeit, als wären Gedanken Federn direkt in meine Hand, aufs Papier. Und es las sich auch noch schön.
Ich las.
Ich vergas.
Ich vergas und schrieb es, schrieb bevor es verloren war in der Leere des Raums, auf das Papier.
Einige Worte wurden geändert, verformt - gleich im Moment oder später.
Dann las ich es wieder, ganz zufrieden. Es war nun geschrieben, der vergessene Gedanke, bevor er sich verlieren konnte. Ich konnte beruhigt alles löschen aus meinem Kopf. Es war auf Papier - und las sich auch noch ganz schön.
Es war jetzt wirklich. Es schien keine Illusion mehr, als könnte man sie anfassen, die Gedanken.
Da stand es - mit dem Rücken zur Vergangenheit.
Und ich konnte in die Zukunft blicken, voller Hoffnung.
Das macht glücklich.
Gerne hätte ich Dinge verändert, die waren, aber ich hatte den Rücken dem Vergangenen zugewandt und wurde getrieben in das Kommende.
Das macht glücklich.
Und dann kam es - das Glück.
Und ich konnte nicht mehr vergessen. Ich konnte dich nicht vergessen, Zeit.
Und es schrieb sich nicht mehr. Es schrieb sich nicht mehr und las sich nicht mehr gut. Das Gedachte blieb in der Zeit stecken.
Sie flossen nicht mehr. Sie flogen nicht mehr, wie Federn leicht in meine Hand – die Gedanken. Sie wurden zum Jetzt. Sie wurden zu Stein, weil sie glücklich waren im Jetzt und wollten nicht mehr das Vergangene verändern, und es war ihnen auch egal, was kommen würde.
Stillstand.
Alles stand still.
Da waren schöne Sätze. Da waren noch schöne Sätze. Aber sie waren allein. Sie fügten sich nicht mehr ineinander, wollten kein Ganzes mehr formen. Sie wollten nur noch sein.
Aber nur ein Ganzes ist schön.
Nur das Ganze hat glücklich gemacht, hat auf das Glücklich hoffen lassen.
Jetzt ist es da, das Glücklich.
Aber das Glücklich macht unglücklich.
Das Glücklich im Jetzt, lässt das Vergangene in seiner Vergangenheit ruhen und kann nicht mehr hoffen, weil alles schon da ist, was gehofft wurde.
Es bedeutet Stein.
Es bedeutet Stillstand.
Es bedeutet den Moment festgehalten zu haben, wie ein Bild - was ich immer wollte.
Glücklich ist unglücklich ohne die Zeit.
Jetzt kann nur sein, wenn das Vergangene nicht vergessen wird. Dann kann auch noch eine Zukunft kommen.
Und es kann wieder fliessen.
Sie können dann wieder fliessen - die Gedanken, im Jetzt, mit der Zeit.

Dienstag, 12. Januar 2010

Fisch ist Fisch

Wenn der Zug ohne mich abfährt, wenn ich noch da stehe und nicht so ganz sicher bin, was ich nun soll (Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen oder einfach stehen bleiben), dann fangen sie erst an.

Zuerst singen sie ein bisschen, manchmal ganz nett. Dann hören sie mir zu und lachen ab und zu - nicht höhnisch, aber ein bisschen ironisch schon. Dann singen sie wieder, plätschernd und fliessend einem Wasserfall ähnlich und lachen dann wieder, etwas lauter. Mir hören sie nicht mehr zu. Sie erzählen einfach. Ich glaube, es ist ihnen ganz egal, ob überhaupt jemand zuhört, ob ich ihnen zuhöre.

Ich höre aber zu. Ich muss ihnen zu hören - was sollte ich anderes tun? Ich könnte Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen, aber ich bleibe dann einfach stehen und höre zu. Dann sind sie auf einmal still. Sie erwarten von mir eine Antwort oder eine Fortsetzung, wahrscheinlich. Das ist aber nicht einfach, wenn sie dann einfach still sind und erwarten.

Du hast kürzlich zu mir gesagt, ich solle keine Erwartung haben. Abgesehen davon, dass du es gesagt hast, haben schon andere das gleiche gesagt, und ich will auch nicht erwarten, dachte ich eigentlich. Aber dann erwarte ich doch und suche ein Ziel - eigentlich nicht ein Ziel sondern das Ziel. Und dann sind sie einfach still und lachen ein bisschen - im besten Fall lachen sie noch ein bisschen.

Ich finde das schon fast ein bisschen frech! Wenn sie nichts sagen würden, wäre das in Ordnung. Aber so viel zu sagen, um im wichtigsten Moment nur noch zu lachen, und dann einfach zu schweigen, das ist doch frech, findest du nicht?

Sie reden ganz interessante Dinge, übrigens. Aber sie reden nur. Selber setzten sie nichts um. Sie können nicht. Sie reden nur - und erwarten. Oft sind sie etwas überschwänglich, etwas grossartig, aber wenn man sich ein bisschen Zeit nehmen würde, denke ich, und alles etwas konkretisieren würde, könnte man daraus ganz nützliche Dinge machen. Man könnte daraus ganz gute Dinge machen. Das wäre dann meine Aufgabe.

Das habe ich auch gemacht. Das habe ich gemacht, bis es nicht mehr ging, weil sie zu schweigen anfingen, wenn sie etwas hätten sagen oder wenigstens singen sollen.

Dann hast du gesagt und eben auch andere haben das selbe gesagt, ich soll wieder einfach machen, ohne Erwartung zuhören und machen - dann geht es besser, dann kommt es gut.

Du hast ja Recht. Man sagt ja schliesslich auch, dass das Ziel nicht das Ziel sein soll. Der Weg ist das Ziel, sagt man.

Aber ich weiss nicht, ob man das nur sagt, weil es so schön klingt, weil es so schön positiv klingt. Ich meine, wofür gibt es dann das Wort Ziel überhaupt, wenn nicht das Ziel das Ziel ist, sonder der Weg? Der Weg ist das Ziel.... Ich finde, Fisch ist Fisch irgendwie besser. Fisch ist Fisch. Ziel ist Ziel.

Ich mag Fische sowieso ganz gerne. Ich mag ihnen nicht gerne zu schauen - das ist langweilig. Sie schwimmen nur -, aber so als Tier in Gedanken mag ich sie. Sie sind so frei (oder ist das der Vogel?), sagt man. Das sagt man über sie auch. Das stimmt, leider. Sie machen, was sie wollen...

Wäre ich 2 Minuten früher aufgestanden oder hätte den Pickel nicht mehr ausgedrückt, hätte ich den Zug nicht verpasst. Dann würde ich jetzt nicht hier stehen, und sie würden nicht wieder sinnlos vor sich hin singen, um dann doch wieder nur zu schweigen.

Du sagtest, ich solle einfach zu hören und dann machen.

Mir wäre lieber, ich würde jetzt im Zug sitzen. Mir wäre lieber, sie würden einfach schweigen.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Die Uhr als Bild oder
i wett en Uhr erfinde
(abgeändertes Zitat: Mani Matter, I ha en Uhr erfunde)

Ich mag sie. Eigentlich mag ich sie. Sie sind schön. Meine Uhren sind schön - alle. Sie ticktacken die Zeit weg. Sie sind schön, aber sie ticktacken die Zeit weg. Manche ticktacken die Zeit laut weg, andere leise. Meine ticktacken alle leise, mittlerweile ticktacken alle meine Uhren nur noch leise. Ich mag schon lange keine Uhren mehr, die laut sind. In der Nacht stehlen sie den Schlaf oder verwandeln das Einschlafen ins Zählen vom Ticktack, ticktack, ticktack... und am Tag wollen laute Uhren mehr Aufmerksamkeit, als ihnen gebührt, als ich ihnen gebühren gewillt bin. Ich habe mir eine neue Uhr gekauft - eine Uhr für's Badezimmer. Da hatte ich noch keine oder keine mehr. Sie ist silbern, matt silbern. Sie hat drei schwarze Zeiger, einen kleinen, dicken, einen grösseren, dünneren und einen ganz grossen, ganz dünnen, ganz schnellen, und sie hat auf dem weiss vergilbten Ziffernplatz kleine, schwarze Striche, jeder fünfte ist etwas länger als die vier vorhergehenden. Ich mochte sie, weil sie schön ist. Ich habe sie gekauft, weil sie schön ist. Ich habe sie gekauft, weil sie tonlos die Zeit weg ticktackt, und weil ich am Morgen im Bad, während ich die Lachfalten verschwinden lassen versuche, sehen muss, wie schnell die Uhr heute ticktackt, damit ich die Züge nicht verpasse. Sie ist schön, aber sie ticktackt jeden Morgen zu schnell. Ich mochte sie, die Uhr, als ich sie im Laden gesehen habe. Ich mochte sie nicht mehr, wenn ich sie am Morgen ticktacken gesehen habe, und jetzt mag ich sie nicht einmal mehr am Sonntag. So geht es mit allen Uhren. Sie werden mit jedem Ticktack, sie werden mit der Zeit hässlicher. Sie werden hässlich. Ich kann ihre oberflächliche Schönheit nicht mehr sehen. Ich sehe nur noch ihr Ticktacken - und möchte eine neue Uhr, eine Uhr, die mich noch nicht ans Zeitverstreichen erinnert, eine, die mir nur ihr Schönsein zeigt. Ich möchte eine Uhr, die nicht ticktackt, ein Uhr, die still steht. Ich möchte eine Uhr, die rückwärts läuft oder einfach keine Zeit anzeigt - eine Uhr als Bild, ohne Zeit und ohne Ticktack, und ich möchte Züge verpassen. Ich glaube, ich möchte Züge verpassen.


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Dienstag, 3. November 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Erwachsen werd ich morgen
das Bild



* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Montag, 2. November 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Pro und contra Tupperware

Ich mag Kaffee, starken und süssen Kaffee, und ich mag rote Kaffeemaschinen. Ich mag die weissen Haare meiner Grossmutter. Ich mag Tortelloni mit Birnenfüllung und Gorgonzolasauce. Ich mag mein Foto mit der toten Taube und rote Regenschirme. Ich mag keine Crocs, besonders orange Crocs mag ich nicht und Phiten-Ketten, die derzeit alle um ihren Nacken tragen, mag ich auch nicht. Windsurfen find' ich doof, Rollerblades und Fleisch auch, und ich hasse Tupperware. Bei den Tuppeware mag ich besonders ihr Verhalten nicht. Während Socken in der Waschmaschine verschwinden und selten wieder auftauchen - manchmal verstecken sie sich einige Tage oder Wochen in der roten Bettwäsche, bis ich die übriggebliebene Socke wegschmeisse, dann taucht die andere zerknittert, aber hämisch lachend in der roten Bettwäsche auf -, vermehren sich Tupperware auf unerklärliche Weise. Wahrscheinlich paaren sie sich wie Hasen in den Küchenschränken und gebären dann Deckel, nur Deckel, violette Deckel und hässlich blaue Deckel. Sie stapeln sich in den Schränken und stehlen den schönen Töpfen, Schalen und den weissen Porzellantellern den ohnehin raren Platz. Oder sie zeugen nur den unteren Teil, den Behälter ohne Deckel. Die brauchen noch mehr Platz als die violetten und hässlich blauen Deckel. In meinem Küchenschrank gab es bis vor kurzen ein Abteil nur für Tupperware, etwa zwanzig Tupperware in allen Grössen und Formen, sicher zehn herrenlose Deckel und zusätzlich fünf Unterteile ohne passenden Deckel. Niemand konnte mir erklären, woher diese Tupperware-Teile kamen. Ich habe sie aus meiner Küche verbannt - fast alle. Geblieben sind drei, drei verschiedene Grössen - ein grosses Stück für die ungegessenen Nudeln, ein kleineres für die überflüssige Sauce und ein ganz kleines für das ungeniessbare Fleisch, das der Besuch stehen gelassen hat. Drei Tage verbringen die drei Tupperware mit passendem Deckel gemeinsam im Kühlschrank. Dann schmeisse ich das Essen weg, verfrachte die Plastikstücke in die Abwaschmaschine, um sie dann wieder in den Schrank zu stellen, wo sie hässlich aussehen, Platz rauben und sich weiter vermehren, bis ich wieder zu viel oder schlecht koche. Sinnvoll, sehr sinnvoll diese Tupperware! Aber alle Leute haben Tupperware. Besonders Männer scheinen Tupperware zu mögen oder gar leidenschaftlich zu sammeln. Sie stapeln sich in ihren Schränken und fallen heraus, wenn man eine Schranktür zu abrupt öffnet. Ich war noch nie auf einer Tupperware Party. Ich weiss auch nicht, ob es das noch gibt, oder ob man mittlerweile Tupperware Parties nur noch online veranstaltet - Facebook Tupperware Parties oder so... Ich glaube aber, dass es da viele Männer haben muss, auf diesen Veranstaltungen. Wenn ich wieder einmal single sein sollte, werde ich eine solche Party aufsuchen, werde aber anstelle der hässlichen Plastikbehälter, den dazugehörigen Mann mitnehmen. Die Tupperware in seinem Schrank werde ich dann wohl oder übel vorübergehend dulden müssen. Aber wenn er einmal nicht aufpassen wird, werde ich sie alle verbannen, brutal vernichten. Vielleicht wird er mich dann verlassen deswegen, aber jetzt weiss ich ja, wo ich wieder einem neuen finde. Gar nicht so sinnlos diese Tupperware!


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Montag, 12. Oktober 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Some never fly again



* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten

Montag, 5. Oktober 2009

von Felten Welten-Productions* präsentiert

Erwachsen werde ich morgen

Mit 27, das wusste ich, mit 27 wird man erwachsen. Mit 27 hat man einen Mann. Vielleicht hat man auch Kinder. Katzen hat man ganz bestimmt, ein Haus mit Garten und eine Kaffeemaschine - eine rote Kaffeemaschine, cola-rot. Das wusste ich schon lange. Wenn man erwachsen ist, weint man nicht mehr. Man ist nicht mehr traurig, weil man vernünftig ist. Gefühle hat man nicht mehr - nur noch ein bisschen, ein bisschen schon...
Das klingt jetzt vielleicht etwas bünzlig. Ist es aber nicht, ganz und gar nicht. Ich würde ja nicht in den Turnverein gehen und auf Lob für meine selbstgebackenen Kuchen warten. Mein Mann würde nicht Fussball spielen, jassen und Bier trinken. Ich würde arbeiten. Mein Mann würde Hausmann sein und das Bier würde ich trinken. Also von bünzlig kann keine Rede sein! Ausserdem würden über dem Sofa keine Bilder hängen - extra nicht und vor allem keine Klee-, Picasso- oder gar Van Gogh-Imitate. Das wusste ich schon lange. Aber bis 27 würde sowieso noch eine Ewigkeit vergehen, eine unvorstellbar lange Ewigkeit - 20 Jahre, 15 Jahre, 8 Jahre, 2 Jahre... Dann wurde ich verlassen, mit 27, genau mit 27. Kein Mann, somit kein Hausmann, keine Katzen und ausserdem keine rote Kaffeemaschine, keine cola-rote Kaffeemaschine, und ich habe geweint.
Na gut, dachte ich dann, erwachsen werden kann ich auch später, und es ging mir gut. Ich arbeitete, trank starken Kaffee aus einer silbernen Espressokanne, ab und zu ein Bier (auch mal eines zu viel), spielte Fussball und vergass, dass ich einmal vorgehabt hatte erwachsen zu werden.
Dann hatte ich wieder Geburtstag. Ich wurde 29. Das war vor 4 Tagen, übrigens (Ach, macht nichts, dass du nicht daran gedacht hast! Du bist ja nicht auf Facebook.) Ich hatte also Geburtstag und packte ahnungslos ein Geschenk aus - eine rote Kaffeemaschine von meiner Schwester. Sie ist wunderschön, wunderschön cola-rot. Sie passt ausgezeichnet in meine Küche, und der Kaffee schmeckt gut. Ich liebe meine neue Kaffeemaschine. Ich liebe sie! Trotzdem... Seither bin ich in einem Dilemma. Muss ich jetzt erwachsen werden, weil ich eine Kaffeemaschine besitze, eine rote Kaffeemaschine, eine rote Wenn-ich-einmal-erwachsen-bin-Kaffeemaschine? Oder bin ich jetzt schon erwachsen, weil ich eine Wenn-ich-einmal-erwachsen-bin-Kaffeemaschine in der Küche stehen habe?
Ach nein, ich glaube, erwachsen werde ich morgen. Fast habe ich vergessen, dass der Hausmann fehlt. Mittlerweile nicht mehr, weil es am Mann mangeln würde, aber ich habe immer noch kein Haus, und weinen tue ich auch noch, manchmal...


* Von Felten Welten-Productions: Ein Non-Profit (es ist so gekommen) und No-Art-Demand (but much fun and a little narcism) Projekt von Regine von Felten